Italienische Novellen, Band 3
der brave Ritter die Schwüre vergessen, sich zu rächen, oder weil er sich besann, daß Schwüre, Böses zu tun, nichts gelten. Da also Ottavio sich ohne Kampf als Sieger sah, setzte er jede Besorgnis beiseite und fing an, Floridas Kloster zu besuchen, angeblich von Frömmigkeit getrieben: es war aber ein Götzendienst, nicht Gottesfurcht die Ursache. Er hielt sich täglich daselbst auf, um die schöne Gefangene zu sehen; aber bewacht von ihren Obern, erschien sie nie, so daß der Arme gerne seine Menschheit mit der Natur des Luchses vertauscht hätte, um sich die Augen zu verschaffen, deren Blick die Mauern durchdränge, die sein liebstes Gut verschlossen hielten. Endlich, nachdem er viel versucht und noch mehr gewünscht hatte, fand er Zutritt zum Gespräche mit Bellasia, die, da sie in kurzem Nonne werden sollte, die Freiheit genoß, an die Fenster zu kommen, um sich von der Welt zu verabschieden. Ottavio erzählte ihr von Anfang an seine Liebesgeschichte und übertrieb seine Leiden so gewaltig, daß das Mädchen nicht umhin konnte, sich etwas gerührt zu zeigen, um nicht unmenschlich zu erscheinen. Sie hatte so aufrichtig allem Weltlichen entsagt, daß sie lieber den Tod sich hätte gefallen lassen, ehe sie zu einer der Sittsamkeit zuwiderlaufenden Tat mitgeholfen hätte. Dennoch meinte sie, wenn sie Ottavio bei seiner Liebe helfe, so sei das eben, als wenn sie der Gerechtigkeit diente, da Florida ihm zu gebühren scheine, nachdem er sie um den Preis so vieler Tränen- und Schweißperlen erkauft habe. Sie bot ihm daher ganz bescheiden ihre Dienste an und schwur ihm, daß sie Fernando ebenso als Schwager, wie Florida ihn als Mann verabscheue. Ottavio dankte ihr und stammelte in übergroßer Freude innige, aber verwirrte Worte dankbarer Verbindlichkeit und bat sie sodann, Florida einen Handkuß zu bringen; sie übernahm es sogleich und überredete ihren Geliebten, ihr künftig Briefe, Botschaften und Geschenke für ihre Schwester anzuvertrauen.
Schon war unter den Neugierigen Partenopes die Ursache der Gefangenschaft Floridas bekannt zum allgemeinen Staunen und zum Vergnügen derjenigen, welche fremde Handlungen immer schlimm auslegen und sich jedes kleinen Anlasses bedienen, um Stoff für Verleumdungen zu haben und Satiren zu verbreiten. Als aber die gemeinschaftlichen Freunde Horazios und Odoardos sahen, daß sich zwischen den beiden Häusern ein Feuer des Hasses erzeuge, das nicht ohne Blut gelöscht werden könne, dachten sie nach, wie es in der Geburt erstickt werden könne. Sie schrieben daher an Horazio, um ihn zur früheren Rückkehr in die Stadt, als er anfänglich beabsichtigte, zu bestimmen. Als er nun kam, unterhandelten sie eifrigst die Versöhnung, und Horazio war, wiewohl mit großem Widerstreben, endlich einverstanden, wenn nur Ottavio Florida dem Fernando abtreten und anstatt ihrer Bellasia zur Frau nehmen wolle. Diese Vorschläge wurden Ottavio mitgeteilt, der zwar keineswegs damit zufrieden war, aber dennoch sich einverstanden erklärte, weil er nur auf diesem Wege seine Dame aus dem Kloster befreien zu können meinte. Es wurde also der Friede geschlossen und die Hochzeit verabredet mit den falschen Versprechungen des Liebhabers, der kurz darauf nach seiner Gewohnheit im Kloster anlangte und, um Florida einen Beweis seiner nie unterbrochenen Treue zu geben, Bellasia einen Brief überreichte. Diese war schon mit seinen Zusagen in dem Friedensvertrag bekannt und hielt ihn nun für ihren Bräutigam, verweigerte also die Überlieferung und bat ihn, sie zu entschuldigen, da sie fortan ihm unter keinem andern Titel als dem seiner Gattin zu dienen beabsichtige. Ottavio seufzte und fühlte sich sehr unglücklich über diese Äußerung; aber als noch weit unglücklicher bejammerte sich Florida, als sie sich verraten glaubte und für verschmäht von ihrem angebeteten Geliebten hielt. Sie verzweifelte daher ohne Rettung; denn die Unterredung mit ihrem Grausamen war ihr fortan unmöglich, und an ihn zu schreiben war ihr von Bellasia verboten, die nunmehr ihre mißtrauische und eifersüchtige Nebenbuhlerin geworden war. Voll Niedergeschlagenheit schlich sie daher in den Klostergängen umher, über ihre verzweifelten Hoffnungen weinend und das Geschick verwünschend, das um eines Undankbaren willen sie dahin gebracht habe, ihr Leben zu begraben und so lange Zeit ihre Freiheit zu verlieren. Mehr als alles aber quälte sie fortwährend das Andenken an ihren Ottavio, den sie noch liebte, wiewohl sie ihn für
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