Italienische Novellen, Band 3
Gläubiger fragte, was denn mit dem Richter los wäre, daß er nicht erschienen sei, sagte sie, er wäre wegen einiger Streitfälle nach außerhalb aufs Land gegangen. Der Kasten wurde in das Zimmer gestellt, die Frau schloß sorgfältig alle Türen und ging in ein anderes Zimmer, um Mittag zu essen, und nachdem sie gegessen hatte, besuchte sie einige Klosterschwestern, darunter ihre eigene Schwester, und dort blieb sie bis zum Abend. Der eingeschlossene Herr Richter unterließ nichts, um zu versuchen, ob er durch ein glückliches Geschick das Schloß öffnen könnte: bald versuchte er mit den Schultern den Deckel zu heben, bald drückte er mit den Füßen und den Händen nach dieser oder nach jener Seitenwand, indem er versuchte, ob es ihm möglich wäre, den Kasten irgendwie aufzubekommen und seiner Frau das Vorgefallene zu verheimlichen; denn wenn er aus dem Kasten herausgekommen wäre, wäre er, da er den Zimmerschlüssel bei sich hatte, hinausgegangen und hätte so getan, als ob er gerade vom Lande zurückgekehrt wäre. Aber mit all seinen Versuchen konnte er das nicht erreichen, was er wünschte. Daher mußte er warten, bis seine Frau sich zu Bett legte, denn sie schlief in diesem Zimmer. Und obwohl er sich dachte, daß es darum großen Lärm geben würde, dankte er doch Gott, daß er, wenn er nach so vielen Gefahren mit Schande bedeckt dastände, nur seiner Frau das Geheimnis zu enthüllen brauchte, und er vertraute darauf, ihre Klugheit würde so groß sein, daß sie das Geheimnis für sich behielte.
Als die Frau – es war schon Abend – von den Klosterschwestern heimkehrte, aß sie Abendbrot, und danach ging sie gleich in das Zimmer, wo der Kasten stand, um zu Bett zu gehen. Wie sie aber in dem Zimmer stand und sich schon das Hemd ausgezogen hatte, um ins Bett zu gehen, wurde sie von weiblichem Verlangen ergriffen, zu sehen, was in dem Kasten war, und indem sie verschiedene ihrer Schlüssel ausprobierte, fand sie schließlich einen, mit dem sie den Kasten öffnen konnte.
Von Kummer, Anstrengung und Ärger überwältigt, war der Richter in dem Kasten eingeschlafen; wie die Frau den Deckel hochhob, wachte er auf und bewegte sich heftig. Da wurde die Frau von solcher Furcht ergriffen, daß die Arme ohnmächtig wurde, ohne auch nur das kleinste Wort herausbringen zu können, und wie tot auf die Erde fiel.
Wie der Richter seine Frau in solchem Zustande sah, stieg er aus dem Kasten, zog sich an und nahm sie in den Arm; da er sie aber ohne jede Bewegung und ganz kalt fand, hielt er sie für tot und begann bitter zu klagen. Er berührte die Frau bald hier, bald da und kam mit der Hand auch an ihr Herz, fühlte es aber doch noch etwas schlagen und schüttelte und rieb sie so lange, bis er ihr die Lebensgeister zu ihrem Dienste zusammen mit der Seele wieder zurückrief.
Als die Frau wieder zu sich gekommen war und sich in den Armen ihres Mannes sah, erkannte sie sofort, daß er derjenige war, der im Kasten eingeschlossen gewesen war, und nachdem sie noch ein bißchen zwischen Furcht und Verwunderung schwebte, fiel ihr ein, daß eine Nachbarin ihr gesagt hatte, daß er Besuche bei Bice machte; und obwohl sie es zuerst nicht hatte glauben wollen, hatte sie nun ja von den Beamten gehört, daß der Kasten aus Bices Haus abgeholt worden war, und daher war sie überzeugt, daß es sich so verhielt, wie die Nachbarin ihr gesagt hatte. Sie wandte sich also zu ihm und sprach: »Was hat Euch denn veranlaßt, hier hineinzusteigen, mein Herr? Ich Unglückliche! Bice ist es gewesen, die Euch schließlich in solche Schande gebracht hat? Wenn man erfahren wird, was Euch begegnet ist, werdet Ihr der am meisten mit Schande bedeckte Mensch sein, der je geboren wurde. Ihr alter Mann, ein Gebildeter, ein Richter, und dazu verheiratet, Ihr habt Euch von einer Buhldirne so weit bringen lassen? Ach, hätte es doch dem Himmel gefallen, daß ich beim Aufmachen des Kastens nicht bloß ohnmächtig wurde, sondern ganz gestorben wäre, damit ich nicht gesehen hätte, ich will nicht sagen, wie wenig Ihr mich liebt, sondern diese Eure unendliche Schande, die mir mehr wehtut, als mir der Tod wehgetan hätte.«
Der Herr Richter sah ein, daß er unrecht hatte, hörte geduldig an, was seine Frau zu ihm sagte, und suchte ihr eine Geschichte vorzureden, daß nicht Liebe ihn zu Bice gebracht hätte, sondern ein unvorhergesehener Zufall hätte ihn in ihr Haus gehen lassen, und schließlich hätte er in diesen Kasten hineinsteigen müssen, um sein
Weitere Kostenlose Bücher