Italienische Novellen, Band 3
für die gesittetste und anständigste Frau gehalten, die es jemals gab.
Aber obwohl sie in diesem Rufe stand und es schien, daß in ihr Schönheit und Schamhaftigkeit, die so große Feindinnen zu sein pflegen, friedlich vereinigt waren, fehlte es trotzdem nicht an Männern, die, mehr von der Schönheit der Dame verlockt als von ihrer Ehrbarkeit eingeschüchtert, sich um sie bemühten, so viel sie konnten, um sie ihren Wünschen geneigt zu machen; denn sie hofften, diese zwei von Natur gewissermaßen entgegengesetzten Dinge würden nicht lange in ihr vereinigt bleiben können. Aber bei allem, was sie versuchten, konnten sie doch ihr Herz nicht erweichen, das mit Eis gegen Amors Glut und mit Diamant gegen seine Pfeile gepanzert zu sein schien. Sie redete auch den ganzen Tag schlecht nicht nur von den Frauen, die sich anderen Männern als ihren Ehegatten in Unkeuschheit hingeben, sondern auch von denen, die durch Blicke oder bloß durch Zeichen unkeusche Glut nähren.
Nun ging eines Tages durch die Straße, in der sie wohnte, ein Jüngling, der von ziemlich niedriger Herkunft, aber doch anmutig und nett war. Die Frau stand gerade am Fenster und richtete ihre Augen auf ihn, und er die seinen auf sie, und die ersten Blicke hatten solche Gewalt über beide, daß im Herzen des Jünglings das Bild der Dame sich einprägte und in dem der Dame das des Jünglings. Und die ersten Strahlen aus den Augen beider entzündeten in ihren Herzen solches Feuer, daß sie in ganz unglaublicher Weise brannten; und nur insoweit hatten sie Frieden, als sie im Geist (was sie mit den Körpern nicht konnten) zueinander gingen.
Ihre Liebe ging viele Tage weiter ohne jede Frucht, und nur mit den Blicken nährten sie ihre Flammen. Jetzt ließ die Frau erkennen, daß die bisher von ihr gezeigte Keuschheit nur erheuchelt war, und daß sie zur Unzucht geboren war; da sie aber fürchtete, ihr Mann könnte auf den Jüngling Verdacht schöpfen, sagte sie ihm, dieser wäre in ihre Magd verliebt. Das konnte sie ihrem Mann ohne Mühe einreden, weil er wußte, daß der Jüngling von niedrigem Stande und die Magd leicht zur Liebe zu bewegen war; er hätte ja auch niemals auf den Gedanken kommen können, daß seine Frau, die sogar Adel, edles Blut, warme Bitten, reiche Geschenke und glühende Liebe zu verschmähen schien, sich hätte verleiten lassen, eine so niedrige Person zu lieben, wie jener war.
Infolgedessen geschah es, daß, wenn der Mann mit ihr am Fenster stand, er sich über den an der Straßenecke stehenden Jüngling amüsierte, weil er ja glaubte, er stünde da, um zu warten, bis die Magd erschiene. Die heuchlerische Frau freute sich, ihren Mann in dieser Weise getäuscht zu haben, so daß es auch in ihrer Gegenwart dem Liebhaber erlaubt war, ohne Argwohn zu erregen, ihr den Hof zu machen, und ihr gleichfalls, ihn anzuschauen.
Bisher hatte weder sie dem Jüngling noch der Jüngling ihr Brief oder Botschaft gesandt; denn sie fürchteten, die Sache, die (wegen der angesehenen Stellung des Edelmanns, die beiden größte Angst einflößte) sehr gefährlich war, könnte entdeckt werden, und deshalb hielten sie es für richtig, ihre Liebe in größter Heimlichkeit fortzusetzen, damit sie nicht zu ihrem großen Schaden entdeckt würde. Beide brannten dennoch von der Sehnsucht, Gelegenheit und Zeit finden zu können, entweder sich miteinander zu unterhalten oder, wenn das nicht möglich wäre, mit Hilfe von Briefen oder Vermittlern das Feuer offenbaren zu können, das um so stärker in ihnen brannte, je verschlossener man es halten mußte.
Es schien also dem Jüngling, daß ihm, um seine Wünsche vollständig zu verwirklichen, nichts anderes fehlte, als ein passendes und heimliches Mittel zu finden, seine leidenschaftliche Glut der Frau zu enthüllen. Wie er nun im Zweifel darüber war, weil er nicht wußte, wem er sich anvertrauen sollte, hörte er, daß einige Klosterschwestern mit der Dame befreundet seien, die ihr oft in ihr Haus irgendeine Kleinigkeit schickten; darunter war eine Verwandte von ihm, die ebenfalls eine Freundin der Dame und Nonne in diesem Kloster war. Sie besuchte er eines Tages, und nach den üblichen Begrüßungen redete er ihr ein, daß zwischen ihm und dem Gatten seiner Geliebten einige Streitigkeiten und Differenzen entstanden seien, die ein großes Unglück herbeiführen könnten, da auch er von einem hochstehenden Edelmann begünstigt werde, dessen Ansehen keineswegs geringer wäre als das des Gatten der Dame, und aus
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