Italienische Novellen, Band 3
Kasten in Bices Haus hatte tragen sehen: »Was wollt Ihr mir geben, guter Mann, wenn ich Euch zeige, wohin er einen Teil seiner Sachen hat bringen lassen?«
»Das, was sich gebührt«, erwiderte der Gläubiger.
Worauf sie sagte: »Gebt mir zwei Giuli, dann werde ich Euch Bescheid sagen.«
Er steckte seine Hand in seinen Geldbeutel und gab sie ihr, worauf sie sprach: »Er hat hier in Bices Haus einen sehr großen Kasten geschafft, in dem meiner Meinung nach viele Sachen sind«, und er ging in das Haus, und die Vollstreckungsbeamten, als sie das gehört hatten, ebenfalls, um nicht vergeblich den Weg gemacht zu haben.
Sie fanden die Tür offen, und auf der Schwelle stand bereits Panfilo, der sich aus Bices Armen losgemacht hatte und gerade das Haus verlassen wollte. Da sagten sie zu ihm: »Guter Mann, wir haben Auftrag von dem Herrn Richter, diesen Kasten zu nehmen, der diesem Mann hier – dabei zeigten sie auf den Gläubiger – an Zahlungsstatt zugesprochen worden ist, und sollen ihn nach dem Gerichtsgebäude bringen; deswegen erlaubt uns freundlichst, ihn von hier abzuholen!«
Der Jüngling, der schon von Bice gehört hatte, wie die Sache sich verhielt, sagte zu ihnen: »Nehmt ihn!« Aber sie, die sehr wohl wußte, wer darin steckte, stieg die Treppe hinunter, widersetzte sich ihnen und sagte, sie wollte nicht, daß die Sachen, die in ihrem Hause wären, weggenommen würden, und sie glaube nicht, daß der Richter es so angeordnet habe, und bevor sie den Kasten fortschafften, wolle sie erst Klarheit darüber haben, ob das sein Wille sei. Und schon hatte sie sich auf den Kasten gesetzt, um ihn nicht wegtragen zu lassen; denn sie war überzeugt, wenn der Kasten ins Gerichtsgebäude geschafft und dort geöffnet werden würde, dann würde ewige Schande über den Richter und Gefahr des Todes über sie selbst kommen.
Der Herr Richter, der alles mit angehört hatte, bat im stillen Gott, daß Bice es fertig bekäme, diejenigen, die die Vollstrecker seines eigenen Urteils waren, fortzuschicken. Aber wie Bice sich weigerte, ihnen den Kasten herauszugeben, und jene darauf bestanden, ihn zu bekommen, wurde Panfilo halb zornig und sprach zu Bice: »Warum machst du denn solchen Lärm, daß die Nachbarn zusammenlaufen? Laß doch dem Recht seinen Lauf!« Und sich zu den Beamten wendend, fuhr er fort: »Nehmt ihn und tragt ihn dahin, wohin ihr den Auftrag habt ihn zu tragen!«
Ich weiß nicht, ob es einen unter den Menschen gibt, der den Mut hätte, zu schildern, in welcher Gemütsverfassung der Richter war, der tief beunruhigt war bei der Vorstellung der Schande, die ihm bevorstand, wenn er in das Gerichtsgebäude geschafft und dort öffentlich entdeckt werden würde, und weiter durch die Furcht vor dem Tode, da er ja überzeugt war, sobald Panfilo den Sachverhalt erfahren würde, würde er ihn töten müssen. Aber wie glaubt ihr wohl, meine Damen, war der Bice zumute, die sich mit vollster Gewißheit sagen konnte, daß ihr Vergehen von Panfilo entdeckt werden und sie, sobald er es erfahren hätte, von ihm getötet werden würde? Ihr könnt überzeugt sein, das Messer schien ihr schon an der Kehle zu sitzen, und sie hätte gern Flügel haben wollen, um in eine weit entfernte Gegend fliegen zu können.
Während er und sie also in größter Furcht schwebten, ließen die Vollstreckungsbeamten vier Lastträger den Kasten auf ihre Schultern nehmen, und da sie merkten, daß er sehr schwer war, dachten sie, es wären sehr wertvolle Sachen darin, und in dieser Hoffnung trugen sie ihn zum Gerichtsgebäude. Hier warteten sie auf die Ankunft des Richters, um zu erfahren, was sie zur Befriedigung der Vollstreckungsbeamten und des Gläubigers tun sollten. Da aber der Richter nicht erschien und die Stunde der Gerichtssitzung schon vorüber war, wollte der Gläubiger, man sollte den Kasten öffnen und von der Hand des Notars der Bank das Verzeichnis der Sachen aufstellen, die sich darin befanden. Als das der Herr Richter hörte, wurde er von solch fürchterlicher Angst ergriffen, daß er fast daran gestorben wäre. Wie sie aber den Kasten aufmachen wollten, fiel ihnen ein, daß sie ja den Schlüssel nicht bekommen hatten; sie gingen also zu Bice, um den Schlüssel zu holen, fanden aber, daß sie mit Panfilo aufs Land gegangen war.
Als das der Gläubiger hörte, wollte er, daß der Kasten, zur größeren Sicherheit der Sachen, in das Zimmer des Richters gestellt und seiner Frau in Obhut gegeben würde. Diese nahm ihn gern an, und wie der
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