Italienische Novellen, Band 3
Anspruch, daß er nicht mehr dachte, seine Frau noch lebend anzutreffen. Auf diese Weise waren der Herr Arzt mit seiner schönsten Fiammetta dreimal zum Turnier gegangen mit unendlichem und wunderbarem Wohlgefallen von beiden Seiten. Aber als es ihnen an der Zeit schien, daß die Mägde oder der Notar zurückkommen müßten, machte sich die Frau zurecht, als ob sie schliefe, und der Arzt ließ sich auf die Kniee nieder, wobei er so tat, als läse er in seinen Papieren.
Nachdem die Mägde ihre Rosenkränze beendigt hatten und die eine aus dem Keller, die andere vom Dache fast zu gleicher Zeit zurückkamen, betrat die Alte als erste das Zimmer, um zu sehen, wie es mit der Herrin stünde. Als sie den Arzt auf der Erde knieend murmeln und die Frau im Bette still und ruhig liegen sah, als ob sie schliefe, fürchtete sie, sie sei gestorben, und wollte schreien und Lärm machen; aber sie wurde sogleich vom Magister zurückgehalten und schweigen geheißen: »Die Herrin sei geheilt und ruhe sich schlafend aus.« Als er dann diese Magd und die andere, die auch schon ins Zimmer gekommen war, gefragt hatte, ob sie die Rosenkränze beendet hätten, und sie »Ja« geantwortet hatten, stand er auf gerade in dem Augenblick, als Herr Anastasius an das Tor klopfte, das ihm sogleich von einer der Mägde geöffnet wurde. Dann erschien er sofort im Zimmer ganz aufgeregt und schwer atmend mit der Latwerge, voll Furcht, seine Frau nicht mehr lebend anzutreffen.
Ihm sagte sogleich Magister Julius: »Eure Gemahlin befindet sich sehr wohl. Durch Gottes Gnade ist sie geheilt, so daß wir keine Arzneien mehr nötig haben.« Und er erzählte ihm alles und wie er gezwungen war, da ihm kein anderes Mittel mehr blieb, zu einem Zauber Zuflucht zu nehmen. Inzwischen wandte sich jene, indem sie tat, als ob sie erwache, ganz heiter und lächelnd an ihren Gatten und sagte: »Mein süßester Gemahl, gebt Euch Rechenschaft, daß Ihr Eure Fiammetta aus dem Grabe zurückhabt, und sagt Dank fürs erste Gott dem Herrn und zum andern dem Magister Julius!« Herr Anastasius zögerte nicht, dafür Gott zu danken und dem Arzt, und voller Freuden wollte er dem Magister einen Goldgulden verehren. Aber der Arzt antwortete, daß er für solche Behandlung niemals Geld zu nehmen pflege; nach vielen Höflichkeiten und Danksagungen nahm er schließlich Abschied von ihnen und ging in sein Haus. Der Hausherr und seine Frau schickten die Mägde ins Bett und legten sich sehr vergnügt schlafen.
Am andern Morgen hatte Herr Anastasius bei dem Prokonsul wegen bestimmter wichtiger Rechtsfälle zu verhandeln, die er in Händen hatte. Er stand früh auf und ließ seine Frau schlafen, denn er dachte, daß sie nach den Beanspruchungen der vergangenen Nacht größtes Bedürfnis danach haben müsse. Er zog sich eilig an, um wegzugehen; aber als er die Treppe hinunterging, wollte es sein Mißgeschick, daß er strauchelte und von der ersten Stufe ganz hinabstürzte; dabei schlug er sich neben andern Verletzungen eine Schläfe so sehr auf, daß ihm die Sinne schwanden. Beide Mägde liefen bei dem Lärm herbei und ebenso Fiammetta; als sie hinunterkamen, fanden sie ihn auf der Erde bewußtlos hingeschlagen und ganz blutig an der Seite des linken Ohres in einem solchen Zustand, daß sie fest glaubten, er sei tot. Weinend erhoben sie ein lautes Wehgeschrei; davon lief die ganze Nachbarschaft herbei, und sogleich trug man den Herrn so zerschlagen und blutig auf das Bett und schickte nach zwei Wundärzten, den ersten von Florenz. Inzwischen rieben sie ihm die Pulse mit kaltem Wasser und Essig, so daß ihm die geschwundenen Sinne zurückkehrten gerade in dem Augenblick, als die Ärzte kamen. Nachdem ihn diese genau angesehen und den Bruch mit der Sonde untersucht hatten, gaben sie ihn auf, indem sie sagten, man solle ihn beichten lassen, da er nur noch kurz zu leben hätte.
Fragt nicht, wieviel Kummer das erregte und welchen Schmerz Fiammetta darüber zeigte! Dies machte dem Gatten mehr Mühe und Not als die Verletzung selbst, so daß er zunächst seine Seele läuterte und dann sein Testament machte. Da er keine Verwandten hatte, die ihn gesetzlich beerben würden, hinterließ er alles seiner Frau zur freien Verfügung und machte sie zur Alleinerbin aller seiner beweglichen und unbeweglichen Güter ohne Verpflichtung oder Auflage, um offen die glühende und unvergleichliche Liebe, die er für sie hegte, zu zeigen. Worüber Fiammetta, innerlich hocherfreut, so sehr heulte, daß es schien,
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