Italienische Novellen, Band 3
Gefahren und Leiden, so werde ich sie freudig mit Euch teilen, und ich würde mich für sehr wenig von Euch geliebt halten, wenn Ihr mich nicht mit Euch über das Meer führen und mich in Venedig lassen wolltet, als ob ich mich hier sicherer glaubte, als wenn ich mit Euch dieselbe Gefahr bestehe. Darum schickt Euch von meinetwegen nur mit all der Heiterkeit zur Reise an, die Euer jetziger hoher Rang verdient!«
Hierauf schlang der hocherfreute Mohr die Arme um den Hals der Gattin und sagte zu ihr mit einem zärtlichen Kusse: »Gott erhalte uns lange in so liebevollem Einverständnis, meine teure Gattin!«
Bald darauf vollendete er seine Zurüstungen, brachte alles zur Reise in Ordnung und bestieg mit seiner Gemahlin und seinen Leuten die Galeere, die die Segel aufzog und in See stach, worauf sie denn bei vollkommen ruhigem Wasser nach Cypern gelangten. In seinem Gefolge hatte er einen Fähnrich von sehr schönem Äußern, wenn auch von der ruchlosesten Sinnesart, die je ein Mensch auf der Welt haben konnte. Er war bei dem Mohren sehr beliebt, weil dieser nichts von seiner Bosheit ahnte; denn so niederträchtig sein Herz war, so wußte er doch die Niederträchtigkeit, die sein Inneres beherbergte, so hinter hochtrabenden gleisnerischen Worten und seiner Schönheit zu verbergen, daß er von außen einem Hektor oder Achilles gleichsah. Dieser Nichtswürdige hatte auch seine schöne und sittsame junge Frau mit sich nach Cypern gebracht, die als Italienerin von der Gemahlin des Mohren sehr geliebt wurde und die meiste Zeit des Tages bei ihr zubrachte. Ferner war in dem Gefolge des Mohren ein Rottenführer, den dieser sehr wert hielt. Er kam sehr häufig in das Haus des Mohren und aß mit ihm und seiner Gemahlin, die, da sie ihn bei ihrem Gemahl so sehr in Gunst sah, ihm gleichfalls Beweise des größten Wohlwollens gab, und dies war dem Mohren sehr erwünscht. Der verruchte Fähnrich nun, aller Treue gegen seine Gattin und aller Freundschaft, Treue und Pflicht gegen den Mohren vergessend, verliebte sich leidenschaftlich in Disdemona und richtete all sein Sinnen und Trachten darauf, sich ihrer Reize zu erfreuen, wiewohl er nicht den Mut hatte, sich gegen sie zu erklären, weil er befürchtete, der Mohr werde ihn auf der Stelle töten, sobald er die Sache merke. Er bestrebte sich daher vielfach, so heimlich er konnte, der Dame seine Liebe zu verstehen zu geben; ihr Gemüt war aber einzig nur dem Mohren zugewandt und wußte weder etwas von dem Fähnrich noch von einem andern, und alle seine Versuche, sie in ihn verliebt zu machen, blieben wirkungslos. Er bildete sich daher ein, die Schuld davon sei, daß sie für den Rottenführer entbrannt sei, und nahm sich vor, ihn aus ihren Augen zu entfernen; aber er blieb dabei nicht stehen, sondern verwandelte seine Liebe zu der Dame in den bittersten Haß und gab sich alle Mühe, ein Mittel zu finden, wie er den Rottenführer umbringen und, wenn er selbst die Dame nicht genießen solle, auch den Mohren verhindern könne, sie zu genießen. Nachdem er zu diesem Ende mehrere Bubenstücke und Schurkenstreiche überlegt, beschloß er endlich, sie bei ihrem Gemahl des Ehebruches anzuklagen und den Rottenführer als den Ehebrecher zu bezeichnen. Da ihm aber die zärtliche Liebe des Mohren gegen Disdemona und seine Freundschaft gegen den Rottenführer bekannt war, so sah er wohl ein, es werde unmöglich sein, ihm das eine oder das andere einzureden, wenn er ihn nicht durch feine List betrüge. Er nahm sich daher vor, es abzuwarten, bis Zeit und Gelegenheit ihm den Weg zu einem so verbrecherischen Unternehmen eröffnen würde.
Es währte nicht lange, so entsetzte der Mohr den Rottenführer seiner Stelle, weil er gegen einen Soldaten auf der Wache den Degen gezogen und ihn verwundet hatte. Disdemona, der dies sehr leid tat, versuchte oft, ihren Gemahl mit dem Rottenführer auszusöhnen. Um diese Zeit sagte der Mohr zu dem verräterischen Fähnrich, seine Gemahlin lasse ihm so wenig Ruhe wegen des Rottenführers, daß er fürchte, er müsse ihn zuletzt wieder in seine Stelle einsetzen. Dies sah der Bösewicht sogleich als einen Wink an, seinen hinterlistigen Plan auszuführen, und sagte: »Disdemona hat vielleicht Ursache, dies gern zu sehen.«
»Und welche?« fragte der Mohr.
»Ich möchte nicht gern Mann und Frau entzweien«, antwortete der Fähnrich; »aber Ihr dürft nur die Augen auftun, um es selbst zu bemerken.«
Weiter wollte der Fähnrich nicht gehen, so sehr der Mohr auch in ihn
Weitere Kostenlose Bücher