Italienische Verführung
dafür, dass er auch der Sohn eines Peers war. Vater würde wissen wollen, warum Anthony darauf bestand, im Ausland zu leben, und noch nie London besucht hatte, wie es jeder anständige Engländer doch tun musste. Für ihn wären da nur das Papsttum und zu viele Worte, die er nicht verstand, Rotwein, den er nicht vertrug, und Essen, das nicht nach seinem Geschmack gewürzt war.
Und vor allem würde er in Anthony nur den Herzensbrecher und Verführer seiner jüngsten Tochter sehen. Und da Anthony immer wieder davon gesprochen hatte, wie sehr er sie liebte, ohne dabei auch nur ein Mal eine Heirat zu erwähnen, so würde, zu Dianas größtem Kummer, ihr Vater auch noch recht haben.
Trotzdem wusste sie, dass sie keinen Augenblick mit Anthony bereuen würde.
„Wir sind da, cara“, sagte er und lenkte den Einspänner auf den Kutschenplatz vor ihrem Gasthof. Er warf dem Jungen dort ein paar Münzen zu, damit er die Pferde tränkte, sprang dann aufs Pflaster und streckte Diana die Hand hin, um ihr beim Aussteigen zu helfen.
Nachdenklich sah sie zu den Fenstern hoch, die zu ihren Zimmern gehörten, und fragte sich, ob Miss Wood wohl dort oben stand und nach ihr Ausschau hielt. Würde ihre Gouvernante die Veränderung in ihr bemerken? Bewegte sie sich auf eine Art, die erkennen ließ, dass sie jetzt eine Frau mit Erfahrung und nicht länger ein unschuldiges Mädchen war? Konnte alle Welt die Liebe sehen, die sie für Anthony empfand?
„Du siehst schön aus.“ Zärtlich drückte er ihre Hand. „ Bel lissima amore.“
Diana lächelte scheu. Wenn er ihr sagte, sie wäre schön, so glaubte sie ihm. Und sie war es tatsächlich durch seine Liebe. Aber auch wegen der Sorgfalt, mit der sich das Hausmädchen an diesem Morgen ihres Kleides und ihrer Haare angenommen hatte. Diana fasste seine Hand fester und stieg aus der Kutsche. Sie war bereit, sich alledem zu stellen, was sie erwartete.
Signor Silvani, ihr Wirt, war der Erste, auf den sie an der Tür trafen. Laut jubelnd warf er die Arme hoch, sodass im Nu alle seine Bediensteten herbeieilten und in seine Freude einstimmten. Inzwischen waren Diana und Anthony die Treppe hinaufgestiegen. Miss Wood hatte den Lärm vernommen und wartete schon auf dem Treppenabsatz, bereit, Diana in ihre Arme zu ziehen, als wäre sie für Wochen und nicht für weniger als vierundzwanzig Stunden vermisst gewesen. Sie weinte. Auch Diana weinte, war allerdings überzeugt, dass die Gouvernante aus ganz anderen Gründen Tränen vergoss.
„Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, Sie wiederzuhaben, Mylady“, sagte Miss Wood, als sie Diana endlich losließ und vor Anthony einen Knicks machte. „Ach, Mylord, wie kann ich Ihnen je für den großen Dienst danken, den Sie uns erwiesen haben? Bitte, Mylord, bitte kommen Sie mit uns in den Salon.“
„Es ist mir eine Ehre, signorina.“ Anthony nahm wieder Dianas Hand, und als die Gouvernante ihnen den Rücken zukehrte, zwinkerte er ihr zu. Diana lächelte in sich hinein und folgte ihm in den Salon.
Als sie und Anthony das Zimmer betraten, sah sie sich Edward und seinem Onkel gegenüber, die beide etwas linkisch vor ihren Stühlen standen. Diana hatte Edward fast schon vergessen gehabt. Außer einer Art Bandage, die er um die Stirn trug, schien er keinen größeren Schaden davongetragen zu haben. Trotzdem fühlte sie sich ein wenig schuldbewusst und war erleichtert, ihn hier zu sehen.
„Guten Tag, Reverend Mylord, Warwick“, grüßte Anthony. Doch die beiden Männer hießen ihn nicht so freundlich willkommen.
„Sind Sie unverletzt, Mylady?“, fragte Edward, während er Anthony demonstrativ übersah. „Sie haben nicht unter der Gesellschaft dieses Mannes leiden müssen?“
Diana schnappte bei seinen rüden Worten nach Luft. „Lord Edward, ich muss Sie doch bitten, in ihren Bemerkungen Lord Anthony gegenüber etwas rücksichtsvoller …“
„Lass, nur, cara, lass nur“, meinte Anthony ruhig. „Warwick wird von mir immer nur das Schlechteste denken. Doch ich weiß einen Weg, wie ich all seinen Fragen ein Ende machen kann und auch denen, die man dir stellen wird.“
Und vor allen anderen stellte er sich vor sie hin und ließ sich auf ein Knie nieder. Sein Lächeln verriet ihr, was nun folgen würde. Trotzdem konnte sie es nicht fassen und schlug ungläubig die Hand vor den Mund.
„Meine liebe Lady Diana“, sagte er auf Englisch, damit kein Missverständnis aufkommen konnte. „Sie haben mir bereits die Ehre erwiesen, mir
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