Italienische Verführung
dass Sie nicht in diese spießige kleine Kutsche mit ihren spießigen kleinen Insassen gehören, bella mia.“
„Sie wissen überhaupt nichts über …“
„Still, still und hören Sie zu“, unterbrach er sie. „Ich weiß, Sie gehören zu mir, sollten mit mir bei Sonnenuntergang auf dem Palatin durch die Palastruinen des Augustus reiten. Mit dem Schrei des Turmfalken über uns würden wir lachend die ersten Sterne begrüßen, die sich über dem Fluss und über der Kuppel des Petersdoms zeigen. Und ich würde Sie küssen, meine Wilde, denn das wünschen Sie sich doch am meisten. Dort unter den Sternen würde ich Sie küssen und Sie mich.“
Diana kniff fest die Augen zu, als könnte sie damit auch die Ohren verschließen. Himmel, wie gut sie sich all das vorstellen konnte! Aber wie hatte dieser Mann herausgefunden, dass sie Rom lieber zu Pferd als in dieser plumpen Kutsche erkunden würde? Wie konnte er wissen, dass sie im Herzen ein Kind vom Land war und das Reiten vermisste?
Wie konnte er wissen, dass sie sich wünschte, wieder von ihm geküsst zu werden?
„Sie raten doch nur“, sagte sie abwehrend. „Sie können mich gar nicht so gut kennen, wie Sie vorgeben.“
„Aber ja doch, cara. Weil ich mich selbst kenne, und deshalb …“
„Und warum sagen Sie mir dann nicht Ihren Namen?“, fragte sie. „Sie bestehen auf dieser falschen Beziehung zwischen uns und können sich trotzdem nicht dazu überwinden, mir auch nur Ihren Namen zu sagen.“
„Antonio di Randolfo“, überraschte er sie mit einer Antwort. „Mein Name ist Antonio.“
„Antonio“, wiederholte sie triumphierend, als hätte sie einen großen Sieg errungen, weil sie ihn dazu gebracht hatte, seinen Namen preiszugeben.
Er antwortete nicht, und sie wandte sich ihm wieder zu, um ihm voller Stolz ins Gesicht zu blicken.
Zu ihrem Kummer war er jedoch verschwunden. Diana schaute über die Piazza, blickte nach rechts und nach links, doch er war nirgends zu sehen. Wie konnte ein so großer Mann sich plötzlich in nichts auflösen?
„Antonio?“, rief sie ärgerlich und umklammerte die Rückenlehne des Sitzes, um unter den Wagen spähen zu können. „Antonio, wo sind Sie?“
„Lady Diana, was machen Sie denn da?“, fragte Miss Wood mit Missbilligung in der Stimme. „Hängen einfach kopfüber da! Kommen Sie, setzen Sie sich anständig hin, damit Lord Edward und Reverend Lord Patterson Ihr Gesicht sehen und nicht das … das Gegenteil.“
Augenblicklich fuhr Diana herum und ließ sich auf den Sitz fallen. „Guten Tag, Lord Edward“, grüßte sie. Um seinem Blick auszuweichen, konzentrierte sie sich darauf, ihren Sonnenschirm zu öffnen. Was, wenn die anderen sie im Gespräch mit Antonio gesehen hatten? Wenn sie Zeugen geworden waren, wie er sich dabei auch noch über den Sitz lehnte? „Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.“
„Das waren wohl wieder diese elenden Bettler, was?“ Reverend Lord Patterson ließ wütend den Blick über den rückwärtigen Teil der Kutsche schweifen. „Nirgendwo sonst habe ich so viele von diesen unverfrorenen Gaunern gesehen wie hier in Rom. Ich bedauere, Mylady, Sie deren Gier ausgesetzt zu haben.“
„Sie sind die reinsten Diebe“, pflichtete Edward ihm bei und ließ sich Diana gegenüber auf den Sitz fallen. „Sie wären besser mit Miss Wood in den Gasthof gegangen, anstatt sich allein diesem Risiko auszusetzen. Diese italienischen Kutscher und Diener würden keinen Finger zu ihrer Verteidigung rühren.“
„Danke, Mylords, aber es ist ja nichts Schlimmes passiert.“ Diana lächelte Edward zu, der heute etwas kränklich wirkte. Sein Gesicht war blass und hatte einen leicht grünlichen Unterton, was Diana vermuten ließ, dass er nach ihrer Trennung gestern Abend noch übermäßig seiner Leidenschaft für den hiesigen Rotwein gefrönt hatte.
„Sie hätten nicht darauf bestehen sollen, hier draußen zu bleiben, Mylady“, sagte Edward. „Sie haben ja keine Ahnung, welche Freiheiten sich diese römischen Männer herausnehmen, wenn man es ihnen erlaubt.“
„Ich sagte Ihnen bereits, Mylord, dass ich mich sehr wohl befand, als ich allein war“, erwiderte Diana und spürte Wut in sich aufsteigen. Es stimmte schon, dass sie einen guten Eindruck bei Edward hinterlassen wollte. Doch so weit waren sie noch lange nicht, dass er sich herausnehmen konnte, ihr eine Strafpredigt zu halten. „Sehen Sie im Umkreis von zwanzig Fuß einen Römer? Ich mag vielleicht keine Ahnung von deren Freiheiten haben,
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