Italienische Verführung
Mylady.“ Ungeduldig wedelt er mit der Hand, als wollte er eine lästige Fliege vertreiben. „Doch im Ganzen gesehen gibt es in der neueren Architektur und Malerei dieser Stadt eine unerfreuliche Sinnlichkeit, ein Übermaß primitiver, überreizter Leidenschaft, die von der römischen Kirche gefördert wurde. Alles dient dem Vergnügen, ohne den Hauch eines nützlichen, lohnenden Zwecks.“
Sofort musste Diana an Anthony denken. Sie pflegte Männer nicht als sinnlich zu beschreiben, doch kaum hatte Edward dieses Wort benutzt, verband sie es in Gedanken mit Antonio. Er war sinnlich. Angefangen bei seinem selbstbewussten Lächeln, der Art, wie er sich mit der unbewussten Grazie eines Tänzers bewegte, bis hin zu seinem tiefen, klangvollen Lachen und dem holprigen, rollenden Akzent, wenn er sein mit italienischen Worten versetztes Englisch sprach.
Und wenn sie bedachte, wie er sie geküsst hatte – oh, der Himmel möge ihr beistehen, aber es gab nichts, was so offenkundig sinnlich war wie seine Art, sie mit Lippen und Zunge zu erregen!
„Diesen sinnlichen Exzess können Sie in allem erkennen, was diese Leute tun, Mylady“, fuhr Edward gerade in seinem Vortrag fort, „von dieser prahlerisch aufgeblasenen Kuppel des Petersdoms bis hinunter zum einfachen Bengel, dessen Mutter seine Haare in wilden Locken wachsen lässt.“
Augenblicklich dachte Diana an Antonio di Randolfo, an seine schimmernden schwarzen Locken, die er im Nacken nachlässig zusammengebunden trug, und an die Haarsträhne, die ihm über die Stirn fiel.
„Zu glauben, dass eine ganze Stadt – nein, ein kleines Land – tausend Jahre lang nichts von Belang oder Wert geschaffen hat, erscheint mir ein harsches Urteil, Mylord“, sagte sie langsam. „Ich kann nicht glauben, dass die alten Römer so vollkommen waren, wie Sie behaupten, noch dass ihre heutigen Nachfahren so schlecht sind.“
„Aber genau so ist es, Mylady“, beteuerte er. „Diese modernen Jammerlappen sind die schwachen Nachfahren der edlen Alten.“
„Mylord, das ist doch absurd!“, erwiderte Diana spöttisch und hielt ihr Pferd an. „Von allen engstirnigen Erklärungen, die ich in meinem Leben gehört habe, ist das die törichtste. Wenn Sie mit dieser Stadt und ihren Bewohnern so wenig anfangen können, dann verstehe ich nicht, wie Sie es in ihrer Mitte aushalten.“
Hart brachte er sein Pferd vor dem ihren zum Stehen. „Ich bedauere, wenn ich Sie gekränkt haben sollte, Mylady, doch ich weigere mich, etwas zurückzunehmen, das der Wahrheit entspricht. Die modernen Römer sind eine faule Brut, eine Schande für …
„Und was ist mit den Menschen, die so nett zu Ihnen sind?“, fragte Diana. „Jeder in unserer Unterkunft, von Signor Silvani über den Koch bis hin zum jüngsten Spülmädchen ist gastfreundlich und voll guter Laune!“
„Verwechseln Sie nicht Vertraulichkeit mit Gastfreundschaft, Mylady“, warnte er. „Denen ist jede Entschuldigung recht, um mit ihrer Arbeit aufzuhören und sich dreist zu unterhalten. Dieses Verhalten habe ich in allen römischen Häusern beobachtet. Diener vergessen ihren Stand, und ihre Herren versäumen es, sie darauf hinzuweisen.“
„Was ist falsch daran, freundlich zu sein?“
„Der Fehler ist, dass man seinen Stand und damit die gesellschaftliche Ordnung vergisst“, erwiderte er. „Sie täten gut daran, sich auch wieder einmal daran zu erinnern.“
„Ich soll mich daran erinnern, Mylord?“, wiederholte Diana verblüfft. „Sie wagen, mir zu sagen, ich hätte meinen Stand vergessen?“
„Das haben Sie, Mylady“, beharrte er verbissen auf seiner Meinung. „Sie sind die Tochter eines Peers, eines der ranghöchsten Adligen Englands. Doch seitdem Sie mit dem römischen Fieber infiziert sind, möchten Sie ohne Begleitung umherziehen wie eine … eine Zigeunerdirne, ohne Rücksicht auf Ihre Würde und Ihre Ehre.“
„Wie eine Zigeunerdirne!“, schrie Diana so laut, dass ihre Stute nervös zu tänzeln begann. Sie hatte ihr Bestes getan, sich in Edwards Nähe wie eine Dame zu benehmen, und jetzt genügte dies immer noch nicht? „Sie gehen zu weit, Mylord!“
„Ich sagte weder, Sie seien eine Zigeunerin, noch eine Dirne“, meinte er hastig, „sondern nur, dass Sie sich allmählich wie eine hiesige Frau benehmen und nicht wie die feine englische Dame, die Sie sind.“
„Feine englische Dame, ha“, rief Diana und riss ihr Pferd herum. „Wenn Sie so schnell mit Ihrem Urteil zur Hand sind, dann zeige ich Ihnen jetzt
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