Italienische Verführung
einmal, wie eine feine englische Dame umherziehen kann!“
Noch bevor er antworten konnte, gab sie Zucchero einen Klaps mit der Gerte, trieb sie mit den Absätzen an und lenkte das Pferd den Abhang hinauf. Voller Begeisterung darüber, endlich laufen zu dürfen, drängte die kleine Stute vorwärts, suchte sich gewandt ihren Weg durchs hohe Gras und zwischen Steinen hindurch den Hügel hinauf zu dem alten Palast.
„Mylady!“, schrie Edward hinter ihr her. „Mylady, seien Sie nicht so unbesonnen! Ich bitte Sie, kommen Sie zurück!“
„Zum Teufel mit seiner blöden Unbesonnenheit“, murmelte Diana und beugte sich tiefer über den Hals ihres Pferdes. „Und zum Teufel auch mit seiner herumziehenden Zigeunerdirne. Lauf, Zucchero, lauf!“
Die Stute erklomm ein flaches Plateau am Abhang. Früher war hier vielleicht einmal ein Spazierweg gewesen, doch jetzt war alles von Gras und Unkraut überwuchert. Vor ihr erstreckte sich ein schmaler, von Steinsäulen eingefasster Weg. Einige der Säulen standen nur noch zum Teil, andere waren ganz in sich zusammengefallen. Einst musste dies ein überdachter Kreuzgang oder Balkon gewesen sein. Sofort lenkte Diana die Stute dorthin und ließ sie mit klappernden Hufen den Gang entlanggaloppieren.
Durch den schnellen Ritt hatte sich der Hutrand nach hinten umgebogen, doch es kümmerte sie nicht. Und sie schaute sich auch nicht um, ob Edward ihr folgte. Sie war sicher, dass er es nicht tun würde, oder besser gesagt, dass er es gar nicht konnte. Es geschah ihm recht! Was hatte er sie auch so beleidigen müssen?
Das stärkste Gefühl, das sie empfand, als sie jetzt den Durchgang entlangfegte, war das einer berauschenden, unbändigen Freiheit. Während ihr die Röcke um die Beine wehten, die Frisur sich löste und das Haar unter dem Hut hervorquoll, da ihr der warme Wind ins Gesicht wehte, fühlte sie sich endlich von allem befreit, was sie hier in Rom eingeengt hatte: von Miss Woods Regeln und Lord Edwards Erwartungen, und selbst von ihrer Furcht, sich selbst zu verlieren, weil sie es allen hatte recht machen wollen.
Es war eine falsche Freiheit, und sie würde nicht andauern, doch in diesen kostbaren Augenblicken und an diesem Ort, wo vielleicht einmal Kaiser geschritten waren, würde sie sich so viel Freiheit nehmen, wie sie nur konnte. Früh genug würde sie zu den anderen zurückkehren müssen. Doch jetzt, wo die Stadt mit den orangefarbenen Ziegeldächern und den vergoldeten Kuppeln zu ihren Füßen lag, fühlte sie sich genauso wunderbar, wie sich nur irgendeine antike Kaiserin gefühlt haben mochte.
Die kleine Stute schnaubte und lief langsamer, als sie das Ende des Durchgangs erreicht hatten. Das Pferd war außer Atem und sicher auch durstig an diesem warmen Nachmittag. Durch einen der Bögen konnte Diana in einem Hof das Glitzern von Wasser erkennen. Es war ein kleiner, vom Rinnsal einer Quelle oder eines Baches gefüllter Teich. Geschickt glitt sie aus dem Sattel, schlang sich die Zügel um die Hand und führte das Pferd um die niedrige Steinmauer, hinter der sie das Wasser gesehen hatte.
Sie duckte sich unter dem tief hängenden Zweig einer Zypresse hindurch, die vor langer Zeit hier gekeimt und durch den Marmorboden des Kaisers gewachsen war, bog dann noch einen Zweig beiseite und drehte sich um, um sicherzugehen, dass auch das Pferd mit ihr durch die Lücke gehen konnte.
„So, Zucchero“, sagte sie, beugte sich über den Teich und gab dem Tier einen liebevollen Klaps. „Trink dich satt, meine Süße, und dann müssen wir wieder zurück, bevor Miss Wood noch die Armee alarmiert.“
„Doch jetzt noch nicht, cara. Ich habe so lange auf Sie gewartet, dass die anderen ruhig noch ein wenig länger warten können.“
Erschreckt fuhr Diana hoch und sah sich um. Antonio stand vor ihr. Er trug keinen Rock, und der Kragen seines weißen Hemdes stand offen. Die weiten Ärmel hatte er bis zu den Ellbogen aufgerollt, sodass seine nackten Arme zu sehen waren. Er trug dunkle Reithosen und Stiefel, und wenn Diana hinter ihn blickte, konnte sie in einiger Entfernung einen großen schwarzen Wallach grasen sehen.
„Wie meinen Sie das, Sir?“, fragte sie. Ja, seit sie ihn auf der Piazza bei der Kutsche gesehen hatte, war er ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen, doch dass er jetzt so plötzlich wieder vor ihr auftauchte, erweckte ein unbehagliches Gefühl in ihr. Sie war sich nur zu gut bewusst, wie allein – und verletzlich – sie war. „Wie können Sie hier so lange
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