Italienische Verführung
konnte sich nicht erinnern, je von einer anderen Frau so überwältigt gewesen zu sein, und das verunsicherte ihn. Es war, als wäre seine Welt ein klein wenig aus ihrer Bahn geworfen und als gäbe es keine Hoffnung, je wieder etwas daran ändern zu können.
Lucia stupste mit dem Hühnerschenkel leicht gegen seinen Arm. „Suchst du nach Worten, um dein Desaster einzugestehen, Antonio? Hörst du schon die Hochzeitsglocken läuten? Oder ist deine Niederlage so perfekt, dass die Liebe zu deiner Jungfrau dich stumm gemacht hat?“
„Keineswegs.“ Er wollte sich nur ungern von ihr verspotten lassen. Schnell packte er ihr Handgelenk und drehte es so, dass er selbst in das Hühnerbein beißen konnte. „Ich stellte mir nur gerade meinen Sieg vor und die große Freude, die du der Stadt mit deinem Gesang auf der Piazza machen wirst.“
Lucia schnaubte abfällig und riss ihre Hand los. Mit einem boshaften Lächeln ließ sie die Zunge über das abgeknabberte Hühnerbein gleiten. Eine Einladung, wenn es denn eine sein sollte, nach der er aber kein Verlangen mehr verspürte.
Vielleicht war das ja das Problem mit Diana. Er war so damit beschäftigt gewesen, sie zu umwerben, dass er seine Verruchtheit dabei vergessen hatte. Inzwischen musste auch sie innerlich brodeln, genau wie er. Besser, er brachte die Sache endlich zum Kochen und damit die Wette zu einem Ende.
Plötzlich bemerkte er einen der jungen Bühnenhelfer in der Tür, der von einem Fuß auf den anderen trat.
„Was, zum Teufel, willst du?“, knurrte er ihn an und war eher verlegen darüber, dass er beim Nachdenken erwischt worden war, als darüber, dass er hier allein mit Lucia saß. „Spuck es schon aus.“
Der Junge trat vor und machte eine großartige Verbeugung, die in eigenartigem Widerspruch zu seiner zerlumpten Kleidung stand. „Ich bitte tausend Mal um Verzeihung, dass ich Sie unterbreche, Mylord. Doch Signor Dandolo schickt Ihnen seine ergebensten Grüße und diese Billets für die morgige Vorstellung. Unser Direktor persönlich hat sie unterschrieben.“
Zum Beweis streckte er Anthony ein dickes, versiegeltes Päckchen hin. Lucia runzelte die Stirn.
„Billets, Antonio?“, fragte sie argwöhnisch. „Was brauchst du vom Direktor Billets für die Oper, wenn deine Familie seit langer Zeit in diesem Haus eine Privatloge besitzt?“
„Sie sind für Bekannte, Lucia“, erwiderte er bewusst vage, während er dem Jungen bedeutete zurückzutreten. „Du weißt, wo du sie abgeben sollst?“
„In dem Gasthof mit den roten Fensterläden auf der Piazza di Spagna, Mylord“, antwortete er prompt. „Sie sind für die beiden englischen Herrn in den vorderen Räumen.“
„Die zwei englischen Lords“, verbesserte Anthony. „Pass auf, dass du diesen Unterschied nicht vergisst. Sie werden es bestimmt nicht. Patterson und Warwick.“
„Warwick?“ Lucia kniff die Augen ein wenig zusammen. „Was führst du im Schilde, Antonio? Was ist das für ein Unfug?“
„Nichts, was nicht fair wäre, Lucia.“ Er warf dem Jungen eine Münze zu.„Hier, du Gauner. Was immer dir Dandolo auch gegeben haben mag, das hier sollte dreimal so viel sein. Und jetzt geh. Weg mit dir.“
Der Junge schnappte sich die Münze, verbeugte sich und schoss den Gang hinunter. Lucia ließ ein leises, unheilvolles Grollen des Missfallens hören und trommelte mit den Fingern auf die Armlehne ihres Sessels.
„Du führst etwas zu meinem Nachteil im Schilde, und das gefällt mir nicht, Antonio.“
Er dachte daran, wie er Dianas Körper von Kopf bis Fuß in dem hübschen, rosigen Ton erröten lassen würde. Wie er sie dazu bringen würde, sich unter ihm zu winden und vor Lust zu schreien.
„Ich führe etwas im Schilde, Liebling“, entgegnete er. „Aber nicht gegen dich.“
6. KAPITEL
„Es ist mir ein Rätsel, wie Sie an die Opernbillets gekommen sind, Mylord“, sagte Miss Wood, während ihre Kutsche sich von ihrer Unterkunft entfernte. „Soweit ich gehörte habe, ist es für uns Ausländer fast unmöglich, sie für Geld und gute Worte zu erhalten.“
Reverend Lord Patterson lachte stillvergnügt in sich hinein und klopfte mit der Hand auf seine Rocktasche, in der die kostbaren Karten steckten.
„Ich habe da so meine Methoden, Miss Wood“, sagte er. „Doch ja, wir können uns glücklich schätzen, solch eine besondere Freude genießen zu dürfen. Man sagte mir, diese ersten Vorstellungen vor der wirklichen Spielzeit seien oft die besten, da die Sänger dann noch frisch und
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