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Italienische Verführung

Italienische Verführung

Titel: Italienische Verführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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ihr das größte Geheimnis verraten. Da er ständig weiter getrunken hatte, hatten sich seine Wangen immer mehr gerötet, und sein Atem roch jetzt stark nach Wein. „Um seiner Stimme willen ist er nur ein halber Mann. Ein Wallach. Das, was sie einen cast rato nennen.“
    Diana runzelte die Stirn. Da sie vom Land war, wusste sie sehr gut, wie aus einem Hengst ein Wallach wurde, doch etwas in ihr sperrte sich gegen die Vorstellung, dass man dasselbe auch mit einem Mann tun könnte.
    „Ich verstehe nicht ganz, Mylord“, sagte sie langsam. „Wenn er …“
    „Oh, das ist doch gar nicht so schwer zu verstehen“, erwiderte Edward leichthin. „Hier in Rom ist das sogar ziemlich alltäglich. Ein armer Junge singt wie ein Engel, und bevor er noch weiß, wie ihm geschieht, hat man ihn in eines dieser schmutzigen Operationszimmer nahe dem Vatikan geschleppt, ihn gefesselt und voll Schnaps gepumpt, damit er nicht merkt, wenn das Messer an seine …“
    „Das reicht jetzt aber, Edward“, unterbrach ihn sein Onkel scharf. „Ich glaube, du schuldest dieser Dame eine Entschuldigung für diese schlecht gewählten Worte.“
    Edwards schon etwas glasige Augen weiteten sich erstaunt. „Sie fragte mich, Onkel, und alles, was ich tat …“
    „Es sei Ihnen verziehen, Mylord“, warf Diana rasch ein und errötete vor Verlegenheit. „Es stimmt, Reverend Mylord. Ich bat ihn um eine … eine Erklärung. Alles, was Lord Edward tat, war, mir zu antworten.“
    „Er hätte sich einer feineren Sprache bedienen können, die einer Dame angemessener ist“, stellte der andere streng fest. „Die römischen castrati sind in der Tat Unglückliche, die als unschuldige Kinder verstümmelt wurden, damit sie im vollen Umfang ihre knabenhaften Stimmen behalten.“
    „Wie barbarisch, Reverend Mylord!“, rief Miss Wood aus. „Wie unaussprechlich grausam!“
    „Das ist es in der Tat, Miss Wood“, stimmte er ihr zu. „Nicht auszudenken, dass dieselben heiligen Männer, für die es sündhaft ist, wenn Frauen auf der Bühne erscheinen, stattdessen dem Publikum etwas so Abscheuliches anbieten. Es stimmt schon, castrati, welche wie Signor Dandolo Erfolg auf der Bühne haben oder einen Platz im Chor des Vatikans finden, werden von der Welt für ihr Opfer reich belohnt. Doch das kann die abscheuliche Praxis nicht entschuldigen, noch, wie sie durch die römische Kirche gefördert wird. Es ist wirklich ein Pakt mit dem Teufel.“
    „Ich … ich danke Ihnen, Reverend Mylord“, sagte Diana. Sie fühlte sich wie betäubt und krank wegen dem, was sie gerade gehört hatte. „Ich schätze Ihre … erhellenden Worte, wie auch Ihre Diskretion.“
    Reverend Lord Patterson gab mit ernstem Nicken seine Zustimmung kund, als in diesem Augenblick die Musik anschwoll und die Menge um sie herum in tosenden Applaus ausbrach.
    „Aber urteilen Sie selbst, Mylady“, sagte er laut, um die brüllende Menge zu übertönen. „Da ist der berühmte Dandolo höchstpersönlich.“
    Diana sah zur Bühne hinunter, doch zu ihrer Verblüffung entdeckte sie dort nicht den Mann, den sie erwartet hatte, sondern eine hochgewachsene, schöne Frau mit vollem, weißem Busen und einem strahlenden, gefühlvollen Ausdruck auf dem Gesicht, deren Blick langsam über die Reihen der Logen glitt. Jede der ergreifenden Gesten schien vom Herzen einer Frau diktiert worden zu sein, jeder Schritt in dem voluminösen Reifrock mit Schleppe schien weibliche Grazie auszudrücken.
    „Sie haben mich gerade vor meinem Onkel gerettet“, flüsterte Edward ihr heiser ins Ohr. „Das haben Sie für mich getan, Lämmchen, und ich kann Ihnen nicht genug danken.“
    Diana schwieg, weil sie keine passende Antwort wusste. Sie hatte nicht für ihn gesprochen, sondern für sich selbst. Sie hatte versucht, eine weitere Lüge zu vermeiden. Als würde er sie anflehen, hob Dandolo die Arme, dass die üppigen Spitzenvolants der Ärmel bis zu seinen Ellbogen zurückfielen, und öffnete den Mund, um zu singen.
    Die Stimme glich keiner, die Diana je gehört hatte. Engelsgleiche Süße verband sich mit einer Kraft, die sie erstaunte. Diese Stimme war nicht von dieser Welt. Sie brauchte die fremden Worte gar nicht zu verstehen, um die Arie zu begreifen. Diese Stimme verstand ihre eigene Verwirrung und Qual. Sie verstand, dass sie zwischen zwei Männern hin- und hergerissen war, zwischen einem guten und einem schlechten, und wie sich andauernd innerhalb von Minuten alles veränderte. Sie spürte, wie die Menge um sie

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