Italienische Verführung
den Verdacht, da ist doch etwas, Mylady“, sagte sie. „Auch wenn ich nicht das Recht habe, von Ihnen zu verlangen, dass Sie es mir beichten.“
Diana antwortete nicht. Sie wusste nicht, wo sie hätte anfangen und wo enden sollen. Und wie sollte sie Miss Wood erklären, was sie Anthony nicht hatte begreiflich machen können?
„Sie sollten an den Worten des armen Edward keinen Anstoß nehmen“, fügte Miss Wood hinzu. „Er hat Lord Anthony und dessen schönen Palazzo gesehen und sorgt sich jetzt sicherlich, ob sie diesem Neuankömmling nicht den Vorzug geben könnten. Und die einzige Art, wie er seine Angst ausdrücken kann, ist, dass er Lord Anthony lächerlich macht. Sie wissen doch, wie die Herren untereinander sein können. Wie kleine Jungen.“
Edward war ein kleiner Junge, ein abscheulicher kleiner Junge mit einer schäbigen Gesinnung, während Anthony – nun, er war ein Mann und ein Gentleman dazu.
Und jetzt war er auch noch der Mann, den sie liebte, der sie aber niemals würde wiederlieben können.
„Wenn Sie mir etwas sagen wollen, Mylady“, fuhr die Gouvernante sanft fort, „dann bin ich hier, um zuzuhören. Ich weiß, dass Ihre Schwester Mary glaubte, sie könnte sich mir wegen Lord John nicht anvertrauen. Ich wünschte, sie hätte es getan. Wirklich. Darum bitte ich Sie, mir zu sagen, wenn etwas nicht stimmt, damit ich Ihnen bei Lord Anthony oder Lord Edward oder was auch immer es sein mag helfen kann.“
Was auch immer es sein mag – schloss das auch Will Carney ein? Einen verlockenden Augenblick lang war Diana versucht, Miss Wood alles über ihn zu erzählen. Sie wäre wieder das kleine Mädchen, das wegen eines aufgeschürften Knies, das verbunden werden musste, zu seiner Gouvernante lief und mit einem Kuss oder einem süßen Keks getröstet wurde. Doch Will Carney war kein kindliches Missgeschick. Miss Wood würde darauf bestehen, dem Magistrat oder wie auch immer man hier die zuständige Obrigkeit nannte von seinen Drohungen zu berichten. Über kurz oder lang würde Anthony all die schmutzigen Details ihrer Schande kennen. Und das könnte sie nicht ertragen.
„Geteiltes Leid ist halbes Leid, Mylady“, sagte jetzt Miss Wood. „Sie sollen wissen, dass ich für Sie da bin, wenn Sie reden wollen.“
Sie tätschelte Diana noch einmal auf der Schulter und erhob sich. „Ich werde mich jetzt auch etwas ausruhen, Mylady. Aber bitte kommen Sie und wecken Sie mich, wenn Sie mit mir sprechen möchten.“
Wieder antwortete Diana nicht. Sie lauschte den Schritten der Gouvernante, die das Zimmer verließ und hinter sich die Tür schloss. Edward und sein Onkel mussten bereits in ihr Quartier zurückgekehrt sein, denn alles, was sie aus dem Salon noch hörte, war das Klirren von Tellern und leeren Gläsern, als Anna das letzte Geschirr vom Tisch räumte. Dann ging auch sie, und es wurde still in den Zimmern.
Diana wartete noch einen Augenblick, um sicherzugehen, dass niemand sie sehen würde, dann richtete sie sich kraftlos auf. Sie griff nach Handschuhen, Hut und Sonnenschirm. Unter dem Bett zog sie ein kleines Bündel Juwelen hervor, die sie in einem zusammengeknoteten Taschentuch versteckt hatte. Es war nichts von großem Wert – die meisten Fassungen waren Talmi, die Steine Granate statt Rubine oder einfach auch nur künstliche Steine. Doch sie hoffte, Will würde den Unterschied nicht erkennen. Er würde mit dem zufrieden sein müssen, was sie ihm brachte. Bis sie nach England und zu ihren dortigen wertvolleren Juwelen zurückkehrte, hatte sie ihm nichts Besseres anzubieten.
Eine halbe Stunde später stand sie neben der Fontana di Trevi. Ihren breitrandigen Hut hatte sie tief ins Gesicht gezogen, doch den Schleier hochgeschlagen, während sie ängstlich die Menge nach Will absuchte. Sie wusste, dass sie sich durch ihr blondes Haar und ihre helle Haut von den anderen Frauen abhob, doch sie schenkte den bewundernden Komplimenten, die sie von vorübergehenden Männern erhielt, keine Beachtung.
Wo steckte Will nur? Sie war pünktlich zur verabredeten Zeit an den Ort gekommen, den er bestimmt hatte. Er musste doch wissen, wie schwer es für sie war, sich davonzuschleichen, und dass sie nicht den ganzen Tag hier herumlungern konnte.
Der Sprühnebel des Brunnens hüllte sie ein und nässte ihre Röcke. Das traurige kleine Bündel falscher Juwelen in ihrer Tasche wog so schwer wie ihr Gewissen. Die Uhr einer nahen Kirche schlug die Viertelstunde, dann die halbe, und Will war immer noch nicht
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