Italienische Verführung
gekommen. Um sicherzugehen zog sie ihre winzige Uhr aus der Tasche: ein Uhr vierzig. Der Zeiger kroch auf die Zwei zu. Diana konnte nicht länger bleiben. Sie durfte nicht riskieren, dass Miss Wood vor ihrer Rückkehr aufwachte und entdeckte, dass sie fort war.
Was, wenn Will irgendwie herausgefunden hatte, dass sie das Geld gar nicht besaß, das er von ihr forderte? Was, wenn er den Entschluss gefasst hatte, ihr nicht länger zu vertrauen, und schon jetzt seine hässlichen Geschichten verbreitete? Was, wenn er zu den Zeitungen oder zu Sir Thomas oder, und das wäre das Allerschlimmste, zu Anthony gegangen war?
Um Viertel vor zwei ging sie zur Mietkutsche zurück. Langsam kletterte sie in den Wagen und saß noch eine Viertelstunde mit vor Anspannung schmerzendem Rücken auf ihrem Platz. Wenn Will da gewesen wäre, hätte er sie in der Zwischenzeit gefunden.
Schließlich wandte sich der Kutscher auf seinem Sitz um und tippte an seinen Hut. „Signorina?“
Es war fast zwei. Ihr blieb keine Wahl. Sie musste fort.
„Fahren Sie“, sagte sie leise.
Edward beugte sich näher zum Fenster seiner Droschke, um noch besser sehen zu können. Das hier war besser als irgendein Theaterstück, besser als alles.
Lady Diana Farren war so teuflisch halsstarrig, dass er fast erwartet hatte, sie würde heute nicht zum Brunnen fahren, ganz gleich, wie ängstlich sie vor zwei Tagen, als Carney sie bedroht hatte, auch noch gewesen sein mochte. Doch die Angst war stärker gewesen als ihr Widerstand. Es geschah ihr auch ganz recht. Noch nie hatte er sie so rastlos gesehen, den Mund zusammengepresst und mit hochgezogenen Schultern. Unruhig spielten ihre Finger mit einem kleinen Bündel, das sie in Händen hielt.
Er fragte sich, ob das die Belohnung für den Erpresser war. War es ihr irgendwie doch gelungen, das Gold zusammenzukratzen, das Carney verlangt hatte? Trotz des ganzen Wirbels, den sie gestern gemacht hatte, war diese Summe doch nur ein Nadelgeld für sie, weniger, als sie für Strümpfe und Bänder ausgab. So waren reiche Mädchen eben. Solch ein großes Vermögen war die reinste Verschwendung an sie. Keine Frau konnte mit Geld umgehen. Doch sobald er sie zu seiner Frau gemacht hätte, wäre es an ihm, dieses schöne Vermögen zu verwalten.
Er runzelte ein wenig die Stirn, als er sich daran erinnerte, wie rasch sie bereit gewesen war, Randolph zu verteidigen. Das hatte er nicht erwartet. Noch hatte er erwartet, dass Randolph sein Rivale bei Diana werden würde. Doch alle Frauen, ob Dame oder Hure, schienen auf diese Art von schlagfertigem, öligem Charme zu fliegen, den Randolph anzubieten hatte. Außerdem sprach man von dessen angeblich so enormem Reichtum, dass selbst der Duke von Aston bereit sein würde, darüber hinwegzusehen, dass Randolph Ausländer war, sollte er um Dianas Hand anhalten. Edward selbst hatte zwar eine englische Mutter, aber er würde niemals auch nur etwas annähernd Ähnliches wie diesen Palazzo anbieten können. Natürlich war er dort noch nie eingeladen gewesen, doch er hatte genug darüber gehört – mehr als genug.
Aber es gab auch noch andere Wege, um mit Randolph zu konkurrieren. Edward war sich sicher, den besten herausgefunden zu haben. Und er lächelte erwartungsvoll, während sein Blick Diana folgte, die an dem Brunnen auf und ab ging. Es war gut für ihn, dass sie so verängstigt war und ihre Furcht sichtbar zunahm, je länger sie auf den Mann wartete, der nie kommen würde. Dringender als einen reichen ausländischen Bastard brauchte sie jetzt einen Retter.
Sie musste gerettet werden, und morgen, wenn ihre kleine Gesellschaft die Katakomben besichtigte, wollte Edward genau das tun. Er würde dafür sorgen, dass sie in ihm ihren Retter sah, ihren Helden und so zwangsläufig auch ihren Ehemann.
Und wenn er das geschafft hatte, hätte Randolph keine Chance mehr.
„Ich muss sagen, von allen großen Bauwerken, die wir hier in Rom besichtigt haben, bin ich auf dieses hier am meisten gespannt.“ Wie um ihre Begeisterung noch zu unterstreichen, nickte Miss Wood eifrig. Für sie schienen die Katamkomben der Ort zu sein, den sie in Rom am liebsten besichtigen würde. „Die legendären Katakomben von San Sebastiano! Für Christen dürfte es in ganz Italien gewiss keinen heiligeren Ort geben, Reverend Lord Patterson.“
„Oh, da stimme ich Ihnen zu, Miss Wood“, sagte Edwards Onkel mit feierlicher Stimme, als stünde er auf der Kanzel. „Für mich sind die Katakomben das reinste
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