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Ivo Andric

Ivo Andric

Titel: Ivo Andric Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Brücke über die Drina
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Feuer, so daß auch
der entfernteste Winkel davon erleuchtet war, und die Sejmen legten noch immer
neue Scheite nach.
    Abidaga stand vor dem gefesselten
Bauern, den er um ein vieles überragte. Alle erwarteten seine Worte, er aber
dachte: gegen so etwas muß ich also kämpfen und mich halten, von so etwas
hängt also meine Stellung und mein Geschick ab, von diesem jämmerlichen,
geistesschwachen Plewljak und von der verständnislosen, verstockten Tücke und
Widerspenstigkeit dieses Christenpacks. Dann riß er sich von diesen Gedanken
los und begann Befehle zu geben und den Bauern zu verhören.
    Der Schuppen füllte sich mit Sejmen,
draußen hörte man die Stimmen der wachgewordenen Aufseher und Arbeiter. Abidaga
stellte seine Fragen über Plewljak hinweg.
    Radisaw behauptete zunächst, er und
noch ein junger Bursche hätten beschlossen zu fliehen und daher das kleine Floß
gebaut und seien flußabwärts gefahren. Als man ihm die ganze Sinnlosigkeit
seiner Behauptung zeigte, denn in finsterer Nacht könnte man nicht auf einem
unruhigen Fluß voller Wirbel, Felsen und Sandbänke fahren, und wer fliehen
wolle, der steige nicht auf Gerüste, um die Arbeiten zu stören, da verstummte
er und sagte nur barsch:
    »Was denn, in euren Händen liegt ja
doch alles, macht, was ihr wollt.«
    »So, jetzt wirst du sehen, was wir
können«, antwortete Abidaga lebhaft.
    Die Sejmen lösten die Ketten und
machten dem Bauern die Brust frei. Die Ketten warfen sie in das hell brennende
Feuer. Da die Ketten rußig waren, beschmutzten sie sich die Hände und
hinterließen überall auf dem halbnackten Bauern und auf sich selbst schwarze
Spuren. Als die Ketten nahe am Rotglühen waren, trat Merdschan, der Zigeuner,
hinzu und zog mit einer langen Zange das eine Ende aus dem Feuer, während ein
Sejmen ebenso das andere Ende ergriff.
    Plewljak übersetzte Abidagas Worte.
    »Los, nun sag uns die volle
Wahrheit.«
    »Was soll ich euch sagen; ihr könnt
alles, also wißt ihr auch alles.«
    Die beiden trugen die Kette herbei
und legten sie dem Bauern um die breite, behaarte Brust. Das angesengte Haar
zischte auf. Der Mund verkrampfte sich dem Bauern, die Halsadern schwollen an,
die Rippen traten aus den Weichen, und die Bauchmuskeln spannten und bewegten
sich, wie wenn einer erbricht. Er stöhnte vor Schmerz, zerrte an den Stricken,
mit denen er gebunden war, und wand sich vergeblich, um die Berührung des
Körpers mit dem heißen Eisen zu verringern. Seine Augen blinzelten und füllten
sich mit Tränen. Sie nahmen die Ketten ab.
    »Das war nur der Anfang. Wäre es
nicht besser, wenn du sprächest?«
    Der Bauer schnaufte nur durch die
Nase, aber er schwieg. »Sprich, wer war der andere!«
    »Er nennt sich Jowan, aber ich weiß
nicht, aus welchem Hause und aus welchem Dorfe.«
    Wiederum brachten sie die Ketten,
das verbrannte Haar und Fleisch zischte auf. Hustend vor Rauch und sich
krümmend vor Schmerzen, begann der Bauer stockend zu sprechen.
    Nur zu zweit hätten sie sich
verabredet, die Arbeiten an der Brücke zu stören. So hätten sie geglaubt,
handeln zu müssen, und so hätten sie auch gehandelt. Niemand weiter hätte davon
gewußt oder daran teilgenommen. Anfangs hätten sie es vom Ufer aus an
verschiedenen Stellen getan, es wäre ihnen auch gelungen, aber als sie gesehen
hätten, daß Wächter auf dem Gerüst und am Ufer ständen, wären sie auf den
Gedanken gekommen, drei Balken zu einem Floß zu verbinden und so unbemerkt
vom Fluß aus an den Bau heranzukommen. Das sei vor drei Tagen gewesen. Schon in
der ersten Nacht hätte man sie um ein Haar ertappt. Sie wären gerade noch
entkommen. Darum waren sie in der folgenden Nacht überhaupt nicht hinausgegangen.
Und als sie es diese Nacht mit dem Floß wieder versucht hätten, da sei eben das
geschehen, was ja alle wüßten. – »Das ist alles. So war es, so haben wir es
gemacht, nun tut ihr das Eurige.«
    »0 nein, so einfach ist das nicht,
sprich, wer hat euch dazu angestiftet! Was du bis jetzt ausgehalten hast, ist
noch nichts gegenüber dem, was dir noch bevorsteht.«
    »Meinetwegen, tut, was euch
beliebt.«
    Dann trat Merdschan, der Schmied,
mit seiner Zange heran. Er kniete vor dem Gefesselten nieder und begann, ihm
die Nägel von den nackten Zehen zu reißen. Mit zusammengebissenen Zähnen
schwieg der Bauer, aber das sonderbare Zucken, das seinen Körper trotz der
Fesselung bis zum Gürtel schüttelte, verriet, daß der Schmerz groß und
ungewöhnlich sein mußte. Einmal murmelte der

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