Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
ankommen, suchst du einen sicheren Aussichtspunkt für Miss Carter. Erst dann schließt du dich uns im Kampf an. Sie darf nur zusehen, verstanden?«
»Aber Großvater … «, begann Jake.
Mr Mayfair hob die Augenbrauen.
»Jawohl, Sir.«
Mr Mayfair legte seinem Enkel eine Hand auf die Schulter. »Guter Junge.« Lily fragte sich, was Jake eigentlich hatte sagen wollen, ob er sich vielleicht hatte weigern wollen, einem Monster zu helfen. Zu ihr sagte Mr Mayfair: »Halte dich immer an Jake, wenn wir zum Forbes kommen. Er garantiert für deine Sicherheit.«
»Danke, Joseph«, sagte Grandpa erleichtert. »Sie ist die Blume meines Lebens.«
Mr Mayfair wandte sich von ihnen ab und stellte sich auf die große Treppe. Dann brüllte er im Befehlston zu den Old Boys hinunter: »Macht euch bereit!«
Auf dieses Stichwort hin zogen alle Ritter, Jake und Grandpa eingeschlossen, ein kleines Fläschchen hervor. Lily hörte ein vielstimmiges, sanftes Plopp, als sie sie gleichzeitig entkorkten. Die Fläschchen wurden emporgehoben, alle riefen wie ein Mann: »Auf den Sieg!« und kippten den Inhalt in einem Zug hinunter.
Dann brüllte Mr Mayfair: »Abmarsch, Leute! Dies ist keine Übung. Und denkt daran: Der Campus wimmelt von Zivilisten. Eindämmung hat absoluten Vorrang.«
Grandpa gab Lily einen Kuss auf die Stirn und schärfte ihr ein: »Lenke keinerlei Aufmerksamkeit auf dich. Such dir einen Platz, wo du dich verstecken kannst, und bleib dort.« Dann ging er schweren Schrittes hinüber zu den versammelten Rittern. »Du, du und du, mit mir«, sagte er und deutete auf einzelne Männer und Frauen. Mit militärischer Präzision marschierten die Mitglieder des Vineyard Clubs einer nach dem anderen nach draußen.
Lily wurde einfach mitgerissen.
Sobald die Ritter von Princeton die Schwelle des Clubs überschritten, schalteten sie in den Reunion-Modus: schwatzten, lachten, trugen dick auf. Sie sah Jake mit anderen Studenten Witze machen und herumalbern. Einer von ihnen stolperte den Gehweg hinunter, als wäre er sturzbetrunken. Andere bummelten gemütlich, wieder andere schlenderten lässig. Eine Gruppe von Rittern joggte vorbei, als ob sie gerade ihr tägliches Lauftraining absolvierte. Wieder andere eilten, Handy am Ohr, die Straße hinunter, als hätten sie soeben einen wichtigen geschäftlichen Anruf bekommen. Lily folgte den Rittern bis zum Ende der Prospect Avenue und durch den Torbogen von 1879 Hall.
Hinter dem Durchgang teilte sich die Menge auf. Ein Teil begab sich zu den gotischen Seminarräumen, andere bogen Richtung Studentenzentrum ab, und eine dritte Gruppe ging geradeaus weiter. Im Handumdrehen hatte sie ihren Großvater aus den Augen verloren. Sie schloss sich Jake und seinen Freunden an, die auf dem Weg nach Prospect Gardens waren. Mit jedem Schritt, den sie sich dem Garten näherte, wurde das statische Summen in ihrem Kopf lauter.
»Was zur Hölle ist das bloß?«, fragte sie sich halblaut.
Jakes Freunde waren ihr einige Meter voraus und völlig vertieft in ihr falsches Geplapper. Lily verlangsamte ihren Schritt und versuchte auszumachen, wo das Summen herkam. Es klang beinahe wie Musik.
In dem Augenblick, als sie den Garten betrat, explodierte das Geräusch zu einem harmonischen Läuten, als ergieße sich irgendwo ein Wasserfall aus Tönen. Auf der Suche nach der Quelle drehte sie sich einmal um sich selbst. »Hört ihr das nicht?«, fragte sie und ging, ohne die Antwort abzuwarten, den seltsamen Klängen nach. Sie führten sie in Richtung der Blumenbeete.
Die eine Hälfte des Gartens lag in den langen Schatten dichten Immergrüns, während die andere in das schräg einfallende Licht der späten Nachmittagssonne getaucht war, in dem die Tulpen glühten wie Feuer. Die Musik schien direkt aus dem Erdboden zu kommen. Als Lily sich neben eins der Beete kniete, schwangen sich die Töne zu einem gewaltigen Crescendo auf.
Es waren die Blumen. Die Tulpen sangen .
»Ist ja wie in einem Film von Disney«, murmelte Lily, voller Stolz, dass ihre Stimme nur ein ganz klein wenig zitterte. Nach den sprechenden Gargoyles würde sie sich doch nicht von singenden Blumen ins Bockshorn jagen lassen, oder? Sie streckte die Finger nach den Tulpen aus und strich sanft über die Blütenkelche. Die prallen Köpfe neigten sich ihr entgegen, als wären ihre Hände die warme Mittagssonne.
»Sie mögen dich«, sagte eine vertraute Stimme hinter ihr. Mit einem Ruck riss Lily ihre Hände zurück. Die Tulpen streckten sich gemächlich
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