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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Beth Durst
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Stattdessen hatte sie ja kaum sich selbst helfen können. Sie hätte den Büschen befehlen sollen, sich schneller auszubreiten, oder den Bäumen, die Ritter und sie selbst mit ihrer Rinde zu schützen. Vielleicht hätte sie mehr Erfolg gehabt, wenn sie sich deutlicher ausgedrückt hätte. So aber hatte sie bloß erreicht, dass Leute verletzt wurden. »Sind denn alle … Geht es allen gut?« Ist mein Großvater hier? Hast du meine Mutter gesehen?«
    »Frag meinen Großvater«, antwortete Jake. »Er ist unten, leitet die Aufräum…« Sein Gesicht verzerrte sich mitten im Satz, und er beugte sich hastig wieder über den Mülleimer. Sie wollte zu ihm gehen, doch er winkte ab. »Nicht hersehen.«
    Sie wartete noch eine Minute, falls er doch Hilfe bräuchte, dann eilte sie die Treppe hinunter. Als sie sich dem Schankraum näherte, verlangsamte sie ihren Schritt. Merkwürdige Geräusche drangen die Treppe herauf, Stöhnen und Knurren. Sie fragte sich, was wohl der Grund dafür war, dass Jake sich erbrechen musste. Vielleicht sollte sie lieber oben warten.
    Aber Mom konnte auch hier unten sein.
    Den Gedanken an ihre Mutter ganz fest vor ihrem inneren Auge, kam Lily am Fuß der Treppe an und erstarrte. »Oh, mein Gott«, entfuhr es ihr keuchend.
    Der Schankraum quoll über von Monstern. Alle hatten verbundene Augen, waren gefesselt und geknebelt. Die meisten lagen einfach auf dem Fußboden. Einige waren an Stühle gekettet. Auf einer Seite des Raumes waren drei Männer, die Arme bis zu den Ellenbogen in Handschuhen, damit beschäftigt, volle Müllsäcke übereinander zu stapeln. Vage erkannte sie ihre Gesichter wieder. Sie waren drüben bei Forbes gewesen. Jeder einzelne von ihnen sah Lily kurz an und wandte sich dann wieder seiner Arbeit zu.
    »Mr Mayfair?«, fragte sie zaghaft.
    Einer der drei deutete auf den geheimen Raum, dessen Tür weit offen stand. Sie ging hinüber und spähte hinein. Auf dem Boden neben dem schweren Holzstuhl lag, die Fußfesseln eng um die zarten Beine geschlungen, ein Einhorn.
    Zwischen Flecken von Schlamm und getrocknetem Blut auf seiner Flanke schimmerte perlmutterfarbenes Fell hervor. Es war von jenem Weiß, dass nur entsteht, wenn man alle Farben der Welt zusammenmischt, und glänzte unter dem Schmutz wie ein blasser Regenbogen, der im Vergehen begriffen ist.
    Rasselnd atmend, hob das Tier seinen Kopf ein paar Zentimeter über den Boden und öffnete die Augen. Sie waren so blau, dass sie beinah glühten, doch die Lider waren verkrustet von Blut und Eiter. Er schloss sie wieder und ließ den Kopf zurück auf die silbernen Vorderhufe sinken. Die Fesseln klirrten leise.
    Über dem Einhorn stand Mr Mayfair und hielt ruhig eine Kanüle, die in einem der Hinterbeine steckte. Der Drainer gluckste und gluckerte. Flüssiges Silber floss durch die Schläuche in eine Flasche.
    Je höher der Pegel in dem Gefäß stieg, desto wilder zuckte das Einhorn. Panisch warf es den Kopf herum, stach sein Horn in die Luft. Das hätte eigentlich golden schimmern müssen, war jedoch schwarz von getrocknetem Blut. Ritterblut, ermahnte sich Lily. Vielleicht sogar das von Grandpa.
    Mr Mayfair sah auf die Uhr. Dann, mit der einen Hand die Kanüle immer noch an Ort und Stelle haltend, ersetzte er mit der anderen die volle Flasche geschickt durch eine leere. Lily konnte jede einzelne Ader am Hals des Einhorns pulsieren sehen. Sein rasselnder Atem war nur schwer zu ertragen. Es klang, als hätten sich tausend Nägel in seinen Hals gebohrt.
    Das Einhorn zuckte verkrampft. Lily wich zurück. Jetzt hing sein Kopf schlaff auf den Boden, wurde willenlos hin- und hergeworfen. Lily wartete darauf, dass Mr Mayfair die Prozedur beendete. Aber er tat es nicht. Die Zuckungen des Einhorns wurden immer schwächer, bis sein Körper schließlich nur noch ganz leicht vibrierte. Und dann lag das wundervolle Tier still.
    Bestimmt ist alles in Ordnung, dachte Lily. Mr Mayfair hatte doch gesagt, die Prozedur sei vollkommen sicher. Er wusste, wann er aufhören musste. Das Einhorn ruhte sich nur aus, oder?
    Mr Mayfair strich die restlichen Tropfen aus dem Schlauch und entfernte die Kanüle aus der Flanke des Tieres. Dann schaltete er den Drainer ab und warf die Nadel weg. »Fertig.«
    Die drei Männer drängelten sich an Lily vorbei in den Raum. Sie stand wie angewurzelt da und sah mit weit aufgerissenen Augen zu, wie sie dem Einhorn die Fußfesseln abnahmen. Doch auch jetzt, wieder frei, zeigte es keinerlei Regung. Mit vereinten Kräften hoben

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