Ja, Liebling
verschwinden.«
»Aber David, wer...?«
Sie sahen einander an, und keiner nannte den Namen, doch dann meinte David: »Sie hat uns am Freitag abend gesehen, als ich ihn zum Wagen brachte. Es war ziemlich heiß und Lance ganz schön müde...«
Er hielt inne und Margaret sagte: »Mein lieber David, ich weiß es auch schon. Er wollte singen. Sie hat’s mir erzählt.«
»Sie hat es dem halben Dorf erzählt und auch Lance. Was meinst du, was der zu hören bekam. Natürlich wäre es durchaus möglich, daß ein anderer als Lance das Gerücht verbreitet hat.«
Sie wußten aber beide, daß es Lance war.
Dannrief Mrs. Thornton an. Zum ersten Male schien es sie nicht zu stören, daß bei einem Sammelanschluß auch die anderen Teilnehmer die Gespräche mithören können. Ihre Stimme klang erregt. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mir das alles leid tut. Ich rufe schon eine ganze Weile überall an und entschuldige mich. Ich bin so beschämt. Die Ärmste, an diesem Schlag wird sie noch lange zu tragen haben.«
Margaret überhörte das heftige Atmen, das den Lauscher verriet. Sie antwortete: »Liebe Mrs. Thornton, das macht doch nichts. Schließlich sind die vielen Kränze doch ein wunderbarer Beweis der Anhänglichkeit. Nicht viele Leute erfahren noch zu Lebzeiten, wie sehr sie in der Gemeinde geschätzt werden.« Margarets Stimme zitterte, aber das lag nicht etwa an unterdrückten Tränen.
»Zu Lebzeiten? Wem sagen Sie das?« fauchte Mrs. Thornton ungewohnt laut. »Lebendiger als die kann niemand sein! Aber eines kann ich Ihnen sagen, das war das Ende seiner Streiche.«
Margaret legte auf, bevor ihr eine sarkastische Bemerkung entschlüpfte. »Auf jeden Fall habe ich sie aufgeheitert«, sagte sie zu David. »Du hättest mal ihre Stimme hören sollen. Der Lauscher hat einen Schnaufer losgelassen, und wahrscheinlich ist ihm der Hörer hingefallen, jedenfalls habe ich es bumsen hören.«
Spät am Abend klopfte es leise an die Tür. David war schon gegangen, und Margaret schrieb gerade einen Brief an Cecily. Sie kannte das Klopfen und gab sich Mühe, ihre Stimme gleichgültig klingen zu lassen. »Kommen Sie nur herein, Lance«, rief sie. Sie hoffte nur, daß er seine Stimme nicht wieder in Alkohol ertränkt hatte.
Er öffnete die Tür und schlüpfte herein. Lance war völlig nüchtern.
»Tut mir leid, daß ich Sie um diese Zeit stören muß, aber ich habe das unangenehme Gefühl, daß mich überall Augen verfolgen. Werden Sie mich jetzt auch in die tiefste Hölle verdammen?«
Sie sah ihn streng an. »Das war unmöglich, was Sie da getan haben. Was ist nur in Sie gefahren?«
»Es war eine von diesen himmlischen Eingebungen, wie man sie nur einmal im Leben hat. Sie hätten nur hören sollen, wie die über mich geredet hat. Aber die Blumen waren eine Wucht. Der alte Sharpe mußte dafür eine tiefe Grube ausheben. Sagen Sie, waren Sie auch bei den Trauergästen?«
»Natürlich. Ich habe den ganzen Morgen damit verbracht, und sämtliche Blumen aus meinem Garten mußten für den traurigen Anlaß herhalten. Das war scheußlich von Ihnen, und — wenn ich jetzt lache, dann glauben Sie bloß nicht, daß mir das alles Spaß macht.« Aber das strenge Reden hatte keinen Zweck, und sie fügte betrübt hinzu: »Hervey sagte immer schon, ich hätte keinen rechten Sinn für Humor und lache an den falschen Stellen. Das hier ist ganz bestimmt die falsche Stelle.«
»Schon möglich, aber verderben Sie nicht alles mit einer Predigt in letzter Minute.«
»In letzter Minute? Wollen Sie denn abreisen?« Seltsam, wie sehr ihr das leid tat. Dabei wünschte sie doch schon seit einer ganzen Zeit, daß er endlich verschwinden möge. Er war für seine Freunde und besonders für seine Verwandten nur eine Last, doch jetzt fühlte sie sich bekümmert.
»Morgen früh. Ich habe keine Minute zu verlieren. Die Kranzbinderinnen sind alle hinter mir her, von dem alten Sharpe und seiner Leiche gar nicht zu reden. Meine arme, vom Schicksal so hart geschlagene Tante kann hier nur weiterleben, wenn sie den anderen erklären kann: >Ich habe ihn zum Teufel gejagt.< Deswegen fahre ich. Ich wollte mich nur verabschieden.«
Er war stehengeblieben, schaute auf sie herab, und seine Miene drückte eine seltsame Mischung von Lachen und Traurigkeit aus. Leise sagte er: »Sie waren sehr gut zu mir. Ich weiß noch nicht, ob das auch für meine Zukunft gut war. Ohne Sie wäre ich schon längst auf dem Weg nach Australien. Ich will nicht behaupten, sie waren
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