Jack Fleming 01 - Vampirdetektiv Jack Fleming
wie Trotz zu überspielen. »Na und?« Sie trug einen leichten Blumenduft, aber unter den Rosen konnte ich die Angst riechen. Ich fragte sie, wovor sie Angst habe. Sie stritt es nicht ab. »Tod und Steuern, was sonst?«
Vor Slick Morelli oder vor mir?
Sie hielt den Blick auf die Maschine gerichtet. »Ich denke, Sie sollten jetzt besser gehen.«
»Ich möchte lieber bleiben.«
»Wie Sie wollen. Es ist Ihre Haut.«
»Sie können einen richtig entmutigen.«
»Gut.«
»Ich weiß, dass Slick meinen Bruder umgebracht hat.«
Ihre Selbstbeherrschung war gut, doch nun überschwemmte der Angstgeruch das Parfüm. Sie spielte weiter und tat so, als ob sie es nicht gehört habe.
»Falls Sie ihn heute Nacht sehen, geben Sie es weiter. Ich bleibe in der Nähe.«
»Sie machen keine Scherze, oder?«
»Nein.«
»Warum glauben Sie, dass er ...«
»Weil ich bei Frank Pacos letzter Dinnerparty war, bei der mit dem heißen Nachtisch, der in allen Zeitungen stand. Ich hörte einiges mit. Bei der Unterhaltung wurde Slicks Name erwähnt.«
»Ist das nicht ziemlich dumm von Ihnen, hier einfach so hereinzumarschieren?«
»Vielleicht, aber Slick wird mir nichts tun, weil ich etwas habe, das er haben will.«
»Was?«
»Dasselbe, das er von Bruder Jack haben wollte, aber nicht bekam.«
»Okay, weichen Sie mir ruhig aus.«
»Je weniger Sie wissen, desto besser ist es für Sie. Ich glaube nicht, dass Sie darin mit hineingezogen werden wollen.«
»Das sagen mir alle. Was geht es Sie an?«
»Sie erinnern mich an jemanden.«
»Na, vielen Dank auch.«
»Sie hatte manchmal auch Angst.«
Sie musterte mich voller Unruhe und Misstrauen. Ich hielt den Mund und ließ sie stehen. Ich hatte ihr nichts mehr zu sagen, und ich traute meiner Stimme nicht mehr. Maureen war noch zu stark in mir, und ich fühlte mich schuldig, weil Bobbi mich anzog. Sie war ebenso schön wie Maureen, aber auf eine andere Weise; sie war ebenfalls verwundbar und bemühte sich sehr, es zu verbergen. Sie hatte mir einiges zum Nachdenken beschert, und ich schlenderte eine Zeitlang ziellos umher. Ich steckte mir weitere Zigaretten an, inhalierte jedoch nicht. Mein Körper erlaubte mir Luft zum Reden, stieß aber alle fremden Substanzen bis auf eine ab, und von der hatte ich letzte Nacht genug getankt. Ich paffte vor mich hin und verstärkte den Dunst.
In einer Nische, die etwas abseits vom Lärm lag, war ein ernsthaftes Pokerspiel im Gange. Fünf Spieler nahmen daran teil, aber die meisten Chips lagen vor einem vollkommen kahlköpfigen fetten Mann, dessen Kinnbacken ein struppiger brauner Bart umspielte, der wie der Haarflaum eines Kleinkindes aussah. Als ich an den Tisch heranschlenderte, warf einer der Spieler sein Blatt hin und ließ es für diese Nacht gut sein. Er verließ den Tisch mit schweißnassem Gesicht und jenem schalen Körpergeruch, der nur bei Gewohnheitsspielern auftritt – jenen, die verlieren. Ich war der einzige Zuschauer bei diesem Spiel; wahrscheinlich gewann der dicke Mann so oft, dass es für Kiebitze nicht mehr interessant war.
Die Karten landeten auf dem Tisch, er strich einen weiteren Pott ein und baute mit kurzen breiten Fingern die Chips zu nach Farben sortierten Stapeln auf. Vor ihm lagen etwa neuntausend Dollar.
»Wollen Sie mitmachen?«, fragte er, ohne den Blick zu heben.
»Nein danke, ich schaue nur zu.« Ich mochte Poker nicht und hielt es dabei mit der Ansicht von Ambrose Bierce, der es als ein Spiel definiert hatte, das mit Karten und zu einem unbekannten Zweck gespielt wird. Ich hatte auf die Herzschläge gelauscht und wusste, dass an diesem Tisch mein kleiner Trick bei diesen Bluffveteranen vollkommen nutzlos sein würde. Um es auszuprobieren, sah ich einem anderen Spieler über die Schulter und spielte innerlich ein Blatt gegen den Dicken. Ich verlor mehrere Male, da er etwa so viele Gefühlsreaktionen zeigte wie der Filz bespannte Tisch. Für ihn waren alle Blätter gleich. Schließlich entfernte ich mich gelangweilt aus der Nische. Die glasigen seelenlosen Augen des Dicken folgten mir, bevor sie sich mit einem Ruck wieder auf seine Karten richteten.
Ich suchte den Raum ein weiteres Mal nach Morelli ab, ging dann zum Blackjack-Tisch und machte mich meinerseits an ein ernsthaftes Spiel. Im Spielablauf ging es viel schneller, und ich genoss das damit verbundene Geistestraining. Ehe ich mich versah, waren zwei Stunden verstrichen, und ich war der einzige Spieler. Das steigerte meine Gewinnchancen, denn mittlerweile hatte
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