Jack Fleming 01 - Vampirdetektiv Jack Fleming
ich die Reaktionen des Gebers gut genug erkannt, dass ich praktisch seine Gedanken lesen konnte.
Ich deckte meine letzte Karte auf – es war ein glatter Blackjack, wie ich sie manchmal auf der Hand hatte. Zeit zum Aufhören. Ich konnte es kaum glauben, als ich fünftausendachthundert Dollar in Chips einsammelte. Wenn das so weiterging, konnte ich Dad eine ganze Ladenkette kaufen. Mein Gewissen machte mir nur wenig zu schaffen. Es war Slick Morellis Geld, und er war mir was schuldig.
Ich schob die Chips zusammen, sah auf, und mein Blick fiel auf Bobbis Gesicht. Sie bewegte sich ohne Hast durch den Raum, lächelte nicht, machte auch kein düsteres Gesicht, ihre Miene war völlig ausdruckslos. Sie setzte sich auf den Hocker neben mir und gab dem Geber ein Zeichen. Er schloss den Tisch und setzte sich ab.
»Sie haben es bei mir ziemlich rasch aufgegeben. Warum?«, fragte sie.
»Ich dachte, das wollten Sie.«
»Im Augenblick weiß ich nicht, was ich will.«
Ab und zu wehte Tanzmusik aus dem Clubraum herein, wenn sich die Tür kurz öffnete. Ich fing wieder ihren Geruch auf – Rosen und Furcht. Er war sonderbar erregend. Ihre Haut war sehr hell, und im Schatten unter ihrer Kieferlinie konnte ich die lebensvollen Adern pulsieren sehen. Auch das konnte ich riechen.
Ich blieb ganz ruhig und wartete, dass sie zu mir aufsah. Sie war so schön und seit langer, langer Zeit die erste Frau, die ich wirklich wollte. Als sie mich schließlich ansah, schlug ich ihr vor, dass wir den Raum verlassen sollten. Sie stand auf und ging mir durch eine unbeschriftete Tür im hinteren Teil des Raumes voraus. Wir standen in einem düsteren Flur, der für sie totenstill war. Für mich war er mit dem unregelmäßigen Rhythmus ihrer Lunge und ihres Herzschlags erfüllt. Als ihre Arme sich um meinen Hals legten, glitt der Schal von ihren Schultern. Ihr ganzer Körper presste sich an mich, wie ich es gewollt hatte. Ich streichelte ihr über das Haar, hob ihr Kinn an und küsste ihre roten Lippen.
Aber die Leidenschaft war ganz und gar einseitig. In ihrem Gesicht war kein Gedanke, kein Gefühl zu lesen, ihr Verstand lief im Leerlauf und wartete auf meinen nächsten Befehl. Zweifelnd wich ich zurück, und da wusste ich, dass es falsch war. Ich wandte mich ab.
Als Lebender hatte ich mich nie an einer Frau vergangen, und jetzt wollte ich damit nicht anfangen. Meine Veränderung hatte mich mit einer nur allzu leichten Möglichkeit zur Verführung ausgestattet. Maureen vermied die Anwendung dieser Fähigkeit ganz und gar. Sie hatte einen willigen Liebhaber gewollt, keinen Sklaven.
Bobbis Arme hingen schlaff herab, und allmählich kehrte wieder das Bewusstsein in ihren Blick zurück. Falls sie ahnte, was ich getan hatte, ließ sie sich nichts anmerken. Vielleicht dachte sie, dass ihr eigenes Verlangen uns hierher gebracht habe. Ich legte eine Hand auf den Türknauf, ihre legte sich auf meine.
»Ich glaube, ich sollte gehen.«
»Nein.« Ihre Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. »Ich musste Slick erzählen, was Sie gesagt haben.«
»Ich weiß, das ist schon in Ordnung. Deswegen hat er Sie zu mir geschickt.«
»War es so offensichtlich?«
»Nur unerwartet.«
»Ich kann Sie hier rausbringen. Ich sage Slick, dass Sie etwas spitzkriegten und sich absetzten.«
»Für Sie ist das zu riskant.«
»Das schaffe ich schon.« Ihre Atmung war wieder normal, und sie hielt immer noch meine Hand. Ihr Gesicht war wieder aufwärts gerichtet, und jetzt war sie frei von allen äußeren Einflüssen. Ich neigte den Kopf und küsste sie und empfand Erleichterung, als sie den Kuss erwiderte. Ich wollte bleiben, aber ich musste mich zurückziehen. In meinem Oberkiefer baute sich ein angenehmer Druck auf. Er unterschied sich von den Hungergefühlen, war aber ebenso intensiv und drückte meine Eckzähne hervor. Solange es noch ging, schob ich sie wieder mit der Zunge zurück. Für so etwas war jetzt weder Ort noch Zeit richtig.
»Das war nicht von Slick geplant«, sagte sie.
»Ich weiß.«
»Hör zu, vielleicht kann ich mich morgen mit dir treffen ...«
»Morgen Nacht. Zuerst muss ich mit Slick reden.«
»Warum?«
Wenn ich ihr darauf Antwort gab, würden wir die ganze Nacht hier herumstehen. Unter anderen Umständen wäre das höchst reizvoll gewesen. Doch so schüttelte ich den Kopf und lächelte leicht. »Ich bringe dich zurück, bevor man dich vermisst.«
Sie sackte in sich zusammen. »Ich hasse es, wenn er mich zu so etwas zwingt. Er sagte, es sei
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