Jack Fleming 02 - Blutjagd
ihn sofort anrief oder zu ihm kam.
»Er hat schon vorher angerufen, sagtest du?«
»Zweimal, seit ich um vier meinen Dienst angetreten hab. Es klang wichtig, und ich hab' versucht ...«
»Okay, danke für's Hochbringen. Hat Gus sich um meine Besorgung kümmern können?«
»Ja, Mister, alles erledigt, soll ich Ihnen sagen. Wollen Sie trotzdem Ihre Zeitungen haben?«
»Ja, klar, mach nur weiter damit«, sagte ich abwesend und überflog noch einmal die kurze Notiz. Escott wusste es gewiss besser, als mich tagsüber sprechen zu wollen, also befand er sich in irgendwelchen Schwierigkeiten. Ich zog mich an, eilte nach unten und zwängte mich in die schmale Telefonzelle.
Schon beim ersten Klingeln nahm er ab. Seine Stimme klang ganz normal.
»Hallo, Jack. Ich hab versucht, dich zu erreichen.«
»Was gibt's?«
»Etwas außerordentlich Interessantes. Tatsächlich geht es um einen neuen Fall. Ich würde die Sache gerne sofort mit dir besprechen.«
»Klar, ich bin schon unterwegs.«
»Hast du bereits gegessen?«
»Nun ...«
»Wir können die Einzelheiten bei einem Abendessen durchgehen – das geht auf mich.«
Mühsam verdrängte ich die Unruhe aus meiner Stimme. »Klingt prima. Treffen wir uns in deinem Büro?«
»Das ist am Besten.«
Meine voreilige Erleichterung war wie eine Seifenblase zerplatzt. Seine ganz normales Verhalten hatte nicht mir gegolten, sondern sollte jene beruhigen, die in seinem Büro das Gespräch mithörten. Er wusste, dass ich keine normale Nahrung mehr zu mir nahm und vor Sonnenuntergang nicht zu sprechen war, aber der Lauscher wusste das nicht. Es sah in der Tat wie der Auftakt eines interessanten Falls aus.
Die Abenddämmerung ließ sich ganz schön Zeit. Als ich den Buick startete, wirkte der Himmel auf mich immer noch hart und grell. Ich setzte meine Sonnenbrille auf, damit das Tageslicht auf ein erträgliches Maß gedämpft wurde. Ich brauchte nicht lange für die Strecke zu Escotts Büro und um den Wagen in der Seitenstraße seines Gebäudes zu parken. Bevor ich dort hereinplatzte, wollte ich die Lage erst einmal überprüfen.
Er unterhielt zwei bescheidene Räume im ersten Obergeschoss. Die Zimmerfenster gingen zur Vorderseite hinaus. Wegen des warmen Wetters standen beide offen, aber die Rollläden waren heruntergezogen. Aus dem Fenster zur rechten Hand drang ein Lichtschimmer hinter dem Rollo hervor. Das linke Fenster, das zum Hinterzimmer führte, blieb dunkel. Ohne Eile ging ich darauf zu, bis ich mich direkt darunter befand, und da die Straße gerade leer war, löste ich mich teilweise auf. Wenn ich mich konzentrierte, konnte ich den Grad meiner Transparenz kontrollieren. Mein Körper nahm die Festigkeit eines doppelt belichteten fotografischen Abzugs an und in etwa die Hälfte seines Gewichts. Ich hob die Hand und konnte durch sie das Mauerwerk des Hauses sehen. Wie ein Heliumballon mit Greiffingern schwebte ich in den ersten Stock hinauf. Ich sah nicht nach unten. Mir schwindelte leicht.
Ich erreichte das Fenster, schlüpfte erleichtert hinein, behielt aber meinen gegenwärtigen Zustand bei. Die halb verfestigte Form machte mich für eventuelle Zeugen zwar sichtbar (und erschreckend), aber ich büßte dadurch weder meinen Sehsinn noch mein Sprachvermögen ein, und ich konnte mich gewandt und völlig lautlos bewegen.
Die Verbindungstür zwischen den Zimmern stand weit offen. Von vorne fiel ein heller Lichtkeil herein, also vermied ich ihn achtsam und steckte die Sonnenbrille weg, damit meine Sicht unbehindert blieb.
Escott saß mit dem Rücken zu mir hinter seinem Schreibtisch. Er hatte den Kopf leicht nach rechts gewandt. Auf der Seite stand ein Stuhl, und an Escotts Körperhaltung konnte ich bereits erkennen, dass jemand darauf saß.
Ich löste mich völlig auf und glitt so nah an ihn heran, dass ihn frösteln musste. Einen Augenblick später unterdrückte er ein Erschauern und räusperte sich. Ich schwebte ein wenig beiseite, um festzustellen, was er von mir wollte.
Wieder räusperte er sich. »Darf ich etwas Wasser holen?«
Eine Frauenstimme antwortete ihm. »Nein.«
»Ich dachte, dass Sie vielleicht auch etwas trinken möchten.« Keine Antwort.
»Ihnen sollte klar sein, dass Sie uns vielleicht nicht beide erwischen werden. Mein Partner ist extrem schnell, wenn er es darauf anlegt.«
»Ich weiß noch, wie schnell er war, aber derartig schnell ist niemand.«
»Vielleicht. Der erste Schuss ist der entscheidende. Danach ... nun ja, selbst gebaute Schalldämpfer
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