Jack Fleming 02 - Blutjagd
der Verfassung dafür. Wenn ich in meinem geschwächten Zustand der Sonne ausgesetzt wurde, konnte die Fahrt meinen Tod bedeuten. Ich nickte nur und hoffte, dass ich Recht hatte.
Er brauchte etwas länger als dreißig Minuten. Ich befand mich zwar in einem schattigen Bereich, aber ich konnte mich nicht gegen das Tageslicht wehren, das grell durch die zerbrochenen Fenster fiel. Ich versank in eine halbbewusste Trance; meine Augen standen halb offen und blinzelten nicht.
Schließlich kam er mit dem kleineren meiner beiden Koffer zurück, in den er zwei Erdsäcke gelegt hatte. Da musste ich schon richtig tot ausgesehen haben, denn er tastete kurz nach einem Puls und einem Herzschlag, bevor er mich in den Koffer steckte. Natürlich fand er nichts von beidem, aber er war eben ein Optimist. Sobald ich auf die Säcke gelegt wurde, gingen alle meine Lichter aus.
In der folgenden Nacht überraschte ich mich selbst, indem ich erwachte.
Escott kauerte auf einem Stuhl und sah mich aufmerksam an. »Wie fühlst du dich?«
Die Frage war ernst zu nehmen. Ich dachte darüber nach, während ich mein Innenleben prüfte. »Am Leben«, lautete das Ergebnis. Ich erwähnte weder die Tonne Eisen, die mir jemand um die Brust geschmiedet hatte, noch dass mein Kopf sich wie ein Ballon anfühlte, der kurz vorm Platzen war. Meine Nase und meine Kehle schmerzten ebenfalls, aber das fiel nicht besonders auf.
»Bobbi?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe es schon versucht.«
Keiner von uns sagte etwas. Wenn Bobbi immer noch nicht frei war, gab es wenig bis gar keine Hoffnung, dass sie noch lebte. Nach dem, was Gaylen Braxton und später mir angetan hatte ... Die Leere in mir wurde immer tiefer.
Escott erriet, was in mir vorging. »Jack, ich benötige dein Denken, nicht deine Gefühle. Noch besteht Hoffnung.«
»Ja, schon gut, gib mir nur eine Minute.« Aber ich brauchte länger als eine Minute, um alles zurückzudrängen. Ich durfte nichts anderes glauben, als dass sie am Leben war. Alle anderen Gedanken hatten nichts in mir verloren, oder ich war niemandem von Nutzen. Bobbi war am Leben und brauchte Hilfe, und das war alles, was zählte.
Während ich noch an mir arbeitete, stand Escott auf. Wir befanden uns in seinem kahlen Esszimmer, dem einzigen Raum im Erdgeschoss seines Hauses mit nur einem Fenster. Die Glasscheiben waren mit Pappen abgedeckt, um die Sonne auszusperren. Er nahm sie weg – draußen floss ein steter Regen über das Glas – stapelte das Zeug ordentlich auf einer Umzugskiste und zog die Vorhänge wieder zu.
Ich lag in einem Feldbett an der Wand auf einem Laken, das über eine Schicht meiner Erde gebreitet war. Es fühlte sich viel angenehmer und zivilisierter an als die dicken Beutel in meinem engen Koffer. Meine blutbefleckten Kleider waren verschwunden, und Escott hatte das meiste Blut auf meiner Haut abgewaschen. Der Anstand wurde durch eine Decke gewahrt, die mir bis zum Kinn reichte.
Escott kam zurück und setzte sich. Statt des Taschentuches war jetzt ein sauberer Verband um sein Gelenk gewickelt. Er wirkte angespannt, und dunkle Ringe unter seinen Augen zeugten von Schlafmangel. Die letzte Nacht und der folgende Tag waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen.
»Ich freu mich, dass es dir besser geht. Eine Zeit lang sahst du ziemlich scheußlich aus.«
»Wie schlimm war es?«
»Schlimm genug. Dein Blutverlust war gewaltig – es sah so aus, als hätte der Tod, dem du vor einem Monat durch die Lappen gegangen bist, dich verfolgt und eingeholt.« Sein Blick wurde unruhig, als er die Erinnerung wachrief.
Ich erinnerte mich dunkel, wie meine Hand das Geländer umklammert hatte und wie dünn sie gewesen war. Im Nachhinein wirkte sie nicht dünn, sondern skelettiert. Ich schaute auf meine Hände. Sie waren normal.
Die Bewegung bewirkte ein Zupfen an meiner Wange. »Was ist das denn?« Auf meinem Gesicht haftete Klebeband, und ein dünner Gummischlauch führte in meine Nase. Das andere Ende hing an einer umgedrehten Glasflasche in einem Metallständer. Sie war zur Hälfte mit einer Flüssigkeit gefüllt, deren rote Farbe ich sofort erkannte.
Escott wirkte gleich viel weniger grimmig. »Dies begann als Experiment und erwies sich als erfolgreich. Ich lieh mir die Ausrüstung von Doktor Carlson – du erinnerst dich an den Burschen, der mich damals zusammenflickte – ging dann zu den Schlachthöfen und verschaffte mir dort zwei Liter Tierblut. Vermutlich hielt man mich für mehr als nur leicht
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