Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
Vom Netzwerk:
Kombüse, die leerge-
    räumt war, als Mister Trumpet diese seltsame Be-
    merkung machte. Die Weiße Lady. Eine Äbtissin? Ei-
    ne Nonne? Was für eine Mannschaft fuhr auf der
    Esperance, daß sie so eine an Bord nahmen? Und
    dann die ehrwürdige Dame in der Pinasse mitzuneh-
    men! Ich rätselte nach Kräften, um mir den Umstand
    auszumalen, der sie an Bord gebracht haben könnte.
    Und meine Meinung über Mister Trumpet stieg, denn
    er war ehrlich und ehrbar um die Weiße Lady be-
    sorgt. Er war regelrecht um sie bekümmert.
    »Es ist keine Zeit mehr«, sagte Mister Morris.
    97
    »Die Flut läuft auf, und die Klippen werden bald bedeckt sein. Wir müssen fort.«
    Aber Mister Trumpet war bereits fort: er war fort
    zum Achterdeck, das wir schon einmal durchsucht
    hatten, ohne etwas anderes zu finden als schmutzige Wäsche, eine zerrissene Hose und eine geladene Pistole, die Mister Trumpet schwörentlich als seine bezeichnete, da er gewisse Kratzer am Lauf erkannte …
    »Wir lassen ihn hier«, sagte Mister Morris grim-
    mig. »Soll er uns nachkommen, wenn er kann. Er hat
    den Verstand verloren. Eine ansteckende Krankheit,
    wie man allgemein hört …«
    Trotzdem schien sich Mister Morris nicht übermä-
    ßig zu beeilen. Mister Trumpet war durch die Luke
    abwärts gestiegen. Wir konnten ihn drinnen stöbern
    und poltern hören. Dann hörten wir ihn aufschreien
    – und bevor wir ihn erreichen konnten, fiel ein
    Schuß.
    Das Schiff zitterte davon gefährlich, und Mister
    Morris rief aus: »Er hat sich umgebracht. Ich hab’s ja gesagt, daß er verrückt ist!«
    Wir fanden ihn in der Kajüte, wo er – die Pistole in der Hand – gegen einen Pfosten lehnte. In seinem Gesicht war der Ausdruck von außerordentlichem Frie-
    den und Glück. Er hatte das Schloß einer verschnür-
    ten Truhe abgeschossen, die er unter der Koje vorgezogen hatte.
    »Wißt ihr, was da drin ist?« flüsterte er, mehr in
    die pulvergeschwängerte Luft als zu uns. »Wißt ihr’s?
    Zehn Millionen Pfund. Zehn Millionen. Sie haben’s
    98
    zurückgelassen. Warum? Warum? Die Narren! Abzu-
    fahren ohne das!«
    Er hob den Deckel, und der ganze Reichtum der
    Welt zwinkerte uns mit bösen Augen zu.
    Es waren meistens Perlen und Diamanten mit hüb-
    schen Goldfassungen, aber es gab auch Rubine und
    Smaragde – und vielleicht auch ein paar Stücke ge-
    färbtes Glas … Denn wer konnte, in einer so großen
    und glänzenden Gesellschaft, sagen, daß alles das
    war, was es zu sein vorgab? Dennoch muß genug in
    der Truhe gewesen sein, um ein Dutzend Könige aus-
    zulösen: wenn man gewillt wäre, es dafür aus-
    zugeben.
    »Meine Herren«, sagte Trumpet, zum ersten Mal
    auf den Knien, »jetzt sind wir alle reich geworden. Ist es nicht überwältigend?« fuhr er fort, indem er mit kräftigen Fingern in den Steinen wühlte. »Vor knapp einer Minute waren wir noch arm. Ohne Bedeutung
    in der Welt. Jetzt sind wir mächtig. Und alles innerhalb einer Minute.
    Du Morris, kannst dir dein eigenes Schiff kaufen
    und ausrüsten, für Handel oder Reise. Keine andere
    Sorge als den Wind. Du, Jack, kannst Pferde haben
    und Diener – eine Villa und vielleicht ein Adelswappen.
    Geld hat euch ehrlich gemacht. Geld! Vor einer
    Minute wart ihr bettelarme Piraten, kaum den Strick wert, an dem man euch hängt. Jetzt seid ihr Männer
    von Wert, die niemand schief angucken würde.
    Selbst Sie – hm – Sie! (mit einem Blick auf seinen
    99
    unvergessenen Feind, den Kapitän) müssen ein gut
    Teil reicher sein als zuvor. Obwohl der Teufel weiß, was Sie damit anfangen wollen. Vielleicht eine dicke-re Binde für die blinde Lady anschaffen, der Sie so trügerisch dienen?«
    »Sie sind ein Dummkopf, Trumpet«, erwiderte der
    Kapitän, der plötzlich rot geworden war, als habe Mister Trumpet mit seiner unverständlichen Bemerkung
    einen wunden Punkt berührt, »selbst angenommen,
    dies wäre gesetzlich unser … würden Sie nicht alles für gutes Fleisch und Brot hergeben? Was nützt es
    uns hier an diesem verlassenen Ort?«
    »Raus mit uns und weg von hier«, knurrte Morris,
    ungerührt, wie ich meinte, von seinem plötzlichen
    Wohlstand. »Wir wollen hier fort, bevor uns die Flut wegspült.«
    »Teilt die Juwelen zuerst. Wir müssen sie teilen«,
    sagte Mister Trumpet, indem er jeden von uns for-
    dernd anblickte.
    »Zum Teufel damit!«
    »Was sagst du, Jack?«
    Ich sah und träumte, was ich mir davon kaufen
    konnte – wenn ich je zurückkehrte.
    »Ich nehme soviel, wie ich tragen

Weitere Kostenlose Bücher