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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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verbor-
    gen.
    »Was willst du von mir, toter Taplow? Muß ich
    mit den anderen gehen? Habe Mitleid mit mir. Habe
    Mitleid! Laß mich noch ein bißchen auf der Welt.
    Nur noch fünf Minuten.«
    Aber immer noch kam er auf mich zu, dann
    flammte der Blitz, und ich sah mit Sonnenklarheit,
    wer Taplows Geist war. Es war Mister Pobjoy! Der
    verrückte Mister Pobjoy! Er trug des toten Taplow
    Hemd. Er mußte es gestohlen haben, als er ihn aus-
    legte. (Listiger Mister Pobjoy!) Der mörderische Geist der Charming Molly: der durstige, verkleidete Mister Pobjoy!
    Seine kleinen Augen flackerten und brannten, als
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    der tiefverborgene Pobjoy auftauchte und den ganzen Kopf in Besitz nahm.
    »Jack«, schrillte er, indem er mir winkte. »Sage
    nicht, daß es Pobjoy ist. Sag es nicht, und ich lasse dich leben. Hüte – hüte das Geheimnis, Junge –«
    Wir sausten abwärts, eine Rahe vom zertrümmer-
    ten Fockmast stach aus der See heraus und schmetter-te ihm über den Schädel. Er brüllte und fiel – ich versuchte, mich an ihn zu klammern.
    Er entschlüpfte mir und wäre verloren gewesen,
    wäre nicht Mister Trumpet ihm in den Weg gespült
    und hätte mir geholfen, ihn zu halten. Ich packte ihn am Arm, er drehte und ruckte und zerrte, um sich zu befreien, als die See an ihm riß. Die Wogen wischten sein Gesicht von Seite zu Seite, und ich sah, daß die Rah ihm den Schädel gebrochen hatte und er im
    Sterben lag. Aber er hatte den tollen Wunsch zu
    beichten, bevor es mit ihm aus war, und versuchte,
    mich an sich zu ziehen.
    Tomkyn, Carfax und Hughes polterten in seinem
    zerschmetterten Schädel und setzten ihm zu. Dann
    kam eine Welle und warf ihn unter einen Vorhang von Grün. Er hatte nicht die Kraft zu sprechen und den
    Kopf stillzuhalten. Das Wasser quoll aus ihm heraus und klebte ihm den Bart flach an die Wangen …
    Er hatte es ihnen besorgt, Tomkyn, Carfax und
    Hughes. Drei besoffene Schweine. Und der Gin wur-
    de knapp. So einfach. Sie schrieen beim Anblick von Taplows Hemd … Nur ein kleiner Stoß …
    Die Wellen kamen jetzt sehr regelmäßig mittschiffs
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    über die Steuerbordreling – manchmal so hoch wie
    der Hauptmast – und stürzten auf uns nieder, so daß wir unablässig uns schüttelten wie in einem Fieber.
    Zwischen dem hohlen Krachen hörte man etwas wie
    ein Keuchen, wenn die See sich von unserem Kiel zu-
    rückzog, um sich dann hoch aufzutürmen und über
    uns herzufallen …

    Er hatte also auch Taplow umgebracht? Nein! Nein!
    Er hatte an den schrecklichen Mann keinen Finger
    gelegt. Also war es doch der Kapitän gewesen? Nein!
    Es war Sam Fox. Sam Fox hatte ihn niedergestoßen.
    Sam Fox – sein Freund. Er flüsterte nur noch … Plan
    … helfen … Pobjoy sah … Fox in tödlicher Angst,
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    daß Taplow ihn verpfiff … stieß ihn in den Rücken
    … kein Laut …
    Eine mehr als haushohe Woge brach über den
    Hauptmastrahen zusammen und ließ die Takelage
    hängen wie das Haar einer Irren. Der Arm, den ich
    hielt, glitt mir durch die Finger, und ich faßte ihn wieder am Handgelenk. Als sich der Gischt verzog,
    sah ich Mister Taplow wild zappelnd, um wieder
    Anker zu finden, während er sich an Mister Pobjoys
    gestohlenes Hemd klammerte. Er schüttelte zu mir
    gewandt den Kopf – und tauchte dann unter die
    nächste ungeheure Welle.
    Ich dachte, Mister Pobjoy sei tot, denn sein Kopf
    schien so locker am Hals zu hängen, und er schloß
    die Augen nicht gegen die Wellen. Aber er murmelte
    noch: »Hab’ dir nie was zuleide getan, lieber Junge, nie. Du bist für den Himmel … und – und für einen
    Richter strenger noch – strenger als Lord Shering-
    ham. Leg ein Wort ein für P-Pobjoy, lieber Junge,
    wenn du dort hinkommst …«
    Mister Trumpet warf verzweifelt die Hand hoch.
    Sein Griff hatte sich losgerissen. Eine kleine Welle, die sich kaum über die Steuerbordreling hob, kam
    jetzt und holte Mister Pobjoy weiter ins Meer hinaus.
    Sein Handgelenk zuckte in meiner Hand. Ich hatte
    ihn an der linken Hand. Seiner schlimmen Hand.
    Einmal hatte er mit einem Schlachtmesser das oberste Glied seines Zeigefingers abgeschnitten. Als die
    Wunde heilte, blieb der Stumpf furchtbar empfind-
    lich, ließ ihn grauenhaft schaudern, wenn er berührt 90
    wurde. Er konnte es nicht mal aushalten, wenn man
    darauf hauchte. Mit seiner letzten Kraft richtete er seine guten Finger so auf, daß ich seinen Stumpf nicht berühren sollte. Er ging sehr still davon, schlüpfte einfach fort, als hätte man ihn insgeheim

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