Jack Holborn unter den Freibeutern
übel aussehenden Sumpfes, dahinter eine grü-
ne Stelle, die mit Riedgras bewachsen war: vielleicht sicher, vielleicht nicht. Rechts lag ein sich sacht bewe-gender Baumstamm, nicht verfault, aber auch nicht
verläßlich. Dieser Stamm war, vier Yards von uns entfernt, in den Schlamm gerammt. Dicht vor uns lag
nichts als dampfendes Verderben. Oder wir hätten
zurückgehen können.
Mister Morris war dafür, am Stamm entlangzuge-
hen. Mister Trumpet wollte den leichten Yard über-
springen und zur grünen Fläche. Der Kapitän sto-
cherte den Stamm mit seinem Stock ab und sagte:
»Du mußt Gründe haben, Morris, du bist ein ver-
ständiger Mann. Los, raus damit!«
»Was für Gründe?« warf Mister Trumpet zornig
ein. »Was kann er mehr haben als wir anderen? Wie
wir muß er sich an das Aussehen der Dinge halten.
Und warum sollte sein Blick besser sein als meiner?
Wie? Schärfere Augen? Nicht die Bohne! Er hat nicht mehr Kenntnis als Jack hier von Sumpf und Morast.
Ich habe das schon früher erlebt. In Virginia. (In Virginia, wenn’s Eurer Lordschaft beliebt.) Dieser
Stamm wird sich im Schlamm drehen, und wir wer-
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den kentern und sinken. Der Schlamm ist bodenlos,
nicht fest. Der Fleck auf der Linken bietet Sicherheit.
Seht! Dahinter ist noch mehr.«
»Morris, deine Gründe, Mann«, beharrte der Ka-
pitän.
Mister Morris machte ein finsteres Gesicht und
rieb sich die wunde Brust.
»Der Stamm scheint hier hingelegt –« er hielt inne, als begreife er, daß seine Gründe keine Gründe waren, sondern etwas Tieferes, dem er mehr vertraute, und daher auch wollte, daß wir ihm vertrauten. Aber aus Respekt vor dem Kapitän fuhr er fort: »Er ist in den Schlamm gerammt – steckt nicht nur leichthin.
Ich nehme das als Zeichen. Auf dem ganzen Weg,
den wir gekommen sind, haben wir uns von solchen
Zeichen leiten lassen. Zerbrochene Zweige, niederge-tretene Gräser und dergleichen. Bei jeder Weggabe-
lung haben wir den genommen, der markiert zu sein
schien. Und wir sind dabei sicher gegangen. Dieser
Stamm scheint – mir wenigstens – ein Wegzeichen.«
Währenddessen muß sich Mister Trumpet hin und
her überlegt haben, ob die Meinung von Mister Mor-
ris die klügere sei. Als der Kapitän nickte, kam er zu seinem Entschluß.
»Platz da!« schrie er plötzlich und machte den
yardlangen Sprung auf die Grünfläche. »Ich zeige
euch, welcher Weg der richtige ist.«
Der Kapitän handelte rasch – erstaunlich rasch,
aber ob er das Unheil verhindern oder herbeiführen
wollte, ist unmöglich zu sagen. Vielleicht verfing sich 111
Mister Trumpets Fuß in dem Stock, als er gehoben
wurde. Vielleicht wurde der Stock hochgehalten, um
ihn aufzuhalten. Vielleicht rutschte ein Fuß im
Schlamm aus. Vielleicht wurde ein Fuß in den
Schlamm getan ? Zehntausend Vielleichts finden jetzt keine Antwort mehr.
Im selben Augenblick, in dem er noch bei uns
stand, wie es schien, stak Mister Trumpet plötzlich bis zur Brust im Sumpf.
Viele Male habe ich in den Straßen von Holborn
gekichert, wenn ein Herr in schönster Schale aus-
rutschte und in den Gossendreck platschte, aber nie mehr wieder. Ich will nicht mehr lachen. Denn ich
werde stets an diesen anderen Dreck denken und an
Mister Trumpet, der kreischte und sich vergeblich
mühte, als seine armen Arme den schleimigen Schlick zu einem faulen schwarzen Geschwür aufrührten. Die
Fläche mit Riedgras hatte sich unter ihm geöffnet.
Manchmal war er bis zur Taille frei, und der
Sumpf rollte von seinem Rücken ab wie eine Robe,
manchmal fürchtete ich, daß er versunken sei … bis
sein beflecktes weißes Gesicht wieder auftauchte und etwas wie eine Hand uns aus dem Morast entgegen-wuchs. Einmal sah ich den langsamen Tanz seiner
Beine, als er in einer schimmernden Fallgrube sich
loszuzappeln schien. Dann fielen die Seiten ein, und das ganze blinde Leben des Sumpfes muß ihn um-garnt haben.
Mister Morris, der halbwegs den Stamm überquert
hatte und selbst in großer Gefahr war, konnte nichts 112
tun. Er konnte nur mit erschrecktem Mitleid zusehen.
So wenig er auch Mister Trumpet mochte, so konnte
er doch bei dieser seiner schaurigen Lage nicht
gleichgültig bleiben.
Es blieb also dem Kapitän und mir – seinen beiden
schlimmsten Feinden – überlassen, zu tun, was wir
konnten und durch Vorbeugen und Handausstrecken
seine schlüpfrige Hand zu ergreifen. Als ich sie erfaß-
te, dachte ich auf einmal an jene andere Hand, die ich
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