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Jack Holborn unter den Freibeutern

Jack Holborn unter den Freibeutern

Titel: Jack Holborn unter den Freibeutern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Garfield
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gehen.
    (Denn ich ließ mich nie vergessen, daß wir Millionäre waren.) Aber Mister Trumpet sah mich an, als sei ich verrückt geworden und sagte, wir würden sicherer auf dem Rücken der Krokodile reisen. Mit unserem Reichtum, sagte er, würde er nicht einmal einem Engländer trauen, geschweige denn sieben Sklavenhändlern.
    Es war am fünfzehnten Tag nach Mister Trumpets
    brennenden Kindern, und am vierzehnten, seit wir
    Lord Sheringham zum letzten Mal sahen, daß wir
    den südwärts wandernden Sklavenzug erblickten,
    und es war am selben Abend, als diese beiden Erei-
    gnisse uns sozusagen einholten und im Fernrohr von
    Mister Morris wieder lebendig wurden.
    Ich träumte: wahrscheinlich einen schönen Traum,
    denn ich war ärgerlich, als mich Mister Trumpet
    hochrüttelte. Er stand gebückt und starrte durch das Fernrohr auf die Reihe kleiner Feuer, die die
    schlummernde Karawane erleuchtete.
    »Die Kinder, Jack! Siehst du sie? Die Kinder mei-
    nes Traumes! Sieh nur! Sieh!«
    Er gab mir das Glas. Ich sagte, er sei wahnsinnig.
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    Er sagte »vielleicht« und bat mich zu schauen. Das
    tat ich.
    Ich sah: fünf Araber an einem der Feuer. Stehend.
    Peitschen staken hinten bei ihnen hoch wie Teufels-
    schwänze. Im Feuerschein. Wänste wölbten ihre Ge-
    wänder wie Hauptsegel in einer steifen Brise.
    Und Mister Trumpets brennende Kinder. Sieben.
    Dunkel gegen die Flammen. Bewaffnet mit kleinen
    Speeren und Blasrohren. Köpfe bis an die Bäuche der Araber reichend. Keinen Zoll höher. Männchen.
    »Pygmäen«, flüsterte Mister Trumpet. »Warum
    haben wir’s nicht geahnt? Pygmäen!«
    »Und das ist es, was Sie gesehen haben? Im Fie-
    ber?«
    »Ja. Sie blickten durch die Blätter auf mich nie-
    der.«
    »Warum? Warum? Was wollten sie?«
    Er hatte mir das Glas wieder abgenommen und
    starrte jetzt mehr hinter das Feuer – in die dunkleren Schatten – als wisse er, was er suchte, hätte es aber noch nicht gefunden. Dann stieß er einen tiefen Seufzer aus und gab mir das Glas zurück.
    »Dazu braucht es jüngere Augen«, flüsterte er.
    »Sag mir, was du im äußeren Schatten siehst. Laß dir Zeit – und sag es mir … genau … was du siehst …
    und laß nichts aus …«
    Ich nahm das Glas und strengte die Augen an.
    Ich sah: »Einen Mann, Mister Trumpet. Einen
    blaßhäutigen Mann.«
    »Trägt?«
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    »Trägt ein – ein zerrissenes weißes Hemd, Mister
    Trumpet. Ich glaube, er ist gefesselt und geknebelt.
    Sein Mund …«
    »Wie alt, Jack? Welcher Art?«
    »Ein bißchen mehr als mittleres Alter, Mister
    Trumpet. Grauhaarig mit einer verwaschenen Haut-
    farbe.«
    »Sein Name, Jack? Sein Name ist –?«
    »Lord Sheringham, Mister Trumpet. Lord Sher-
    ingham!«
    Der Schock und die Freude, die wir erlebten, wa-
    ren unbeschreiblich. Denn wir hatten sicher geglaubt, daß er tot war. Welches Wunder, ihn dort zu sehen –
    weit unter uns – unverkennbar noch von dieser Welt.
    Viel trennte uns von ihm, ungeheure Schwierigkeiten und Hindernisse – daran war nicht zu zweifeln, aber vor dem, was wir geglaubt hatten, schrumpften sie zu einem Nichts. Das hatte keine Entfernung überbrük-ken können, und kein Hindernis ist so groß wie ein
    kleiner flacher Stein, der ein Grab kennzeichnet.
    Denn im Leben ist alles möglich, und er lebte. Mein Geheimnis lebte auch – und daher auch sein Versprechen, das noch wartete, gewonnen zu werden.
    Von da an beobachteten wir durch das Fernrohr
    eine höchst bemerkenswerte Folge von Ereignissen.
    Ich sah die Händler, voller Angst vor den Blasroh-
    ren, die wertvollen kleinen Männer geldgierig beäu-
    gen, als wären sie einige hundert unabhängige
    Goldstücke, die uneingesackt durch die Nacht gin-
    gen.
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    Aber sie blieben auf Abstand und hockten sich
    bald mit gekreuzten Beinen und großen Gesten hin,
    die besagten: »Wir wollen geschäftlich reden.« Dann gab ich das Fernglas weg.
    Und das Geschäft war folgendes: Die Pygmäen wa-
    ren gekommen, um den Richter zu verkaufen. Nicht
    für Geld, sondern für eine gefangene Pygmäenfrau,
    die ins Licht des Feuers gebracht wurde.
    Hin und her ging der Handel zwischen den Partei-
    en, unmöglich zu sagen, was sich abspielte, aber die Substanz war klar. Die Sklavenhändler wollten für
    die Pygmäenfrau mehr als den Richter. Sie verhandelten vielleicht eine Stunde lang, tranken miteinander und verhandelten weiter. Schließlich gelangte man zu einem Abschluß. Einem harten. Zwei Artikel für einen. Einer der Pygmäenkrieger gab seine

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