Jack Holborn
so nicht hatte. Jetzt möchte ich das glauben. Warum hätte ich sonst auf den Mann auf dem Richterstuhl gedeutet und hervorgestammelt: »Er war es. Er war der Mann.«
Aber was ich sonst noch ausgesagt habe, kann ich nicht sicher sagen. Ein großes Dröhnen schien vom Gericht auszugehen und mich mitzureißen.
Fragen, die ich in diesem ungeheuren Sturm beantwortete – ich wußte kaum, was sie bedeuteten. Fragen von Mister Trumpet: ruhig, unerbittlich, wie Hammerschläge, die mich zurück in die Welt rüttelten. Fragen vom Richterstuhl, Fragen von der Anklagebank. Fragen … Fragen … selbst vom Schreiber (Gott weiß, was er gefragt hat, und ebenso: Gott weiß, was ich geantwortet habe.)
»Er war also der Mann, der dir das Versprechen gegeben hat?«
»Ja, er war der Mann.«
Auch kann ich mich nicht mehr erinnern, wer fragte, was das für ein Versprechen war: ob Mister Trumpet, der Richter – oder der Gefangene. Oder vielleicht war es eine Stimme in meinem verworrenen Kopf, auf die ich laut antwortete.
Ich erzählte dem Gericht, meinen Freunden und der Welt ganz genau von dem Versprechen, das mich wie ein guter Rückenwind ununterbrochen angetrieben hatte, seit ich davon hörte. Mein Geheimnis, mein tiefes, tiefes Geheimnis war raus. Es machte einen mächtigen Eindruck. Wie wertgehaltene Möbel, die so prächtig sind, wenn sie im Hause stehen und so erbärmlich, wenn sie auf die Straße gestellt werden. So schäbig und klein.
»Was? Darauf hatte er gehofft? Mein Gott! Welch ein Dummkopf!«
Wie schon gesagt, es machte einen mächtigen Eindruck. Auf wen? Mister Trumpet? Er sah aus, als hätte er Mitleid mit mir. Aber gewiß sah ich kein anderes Gesicht, das mehr als nur belustigt und erstaunt aussah, weil es so einem wie mir etwas ausmachen sollte, wer und was ich war.
So warf ich also mein Gewicht in die Waagschale – und das verpuffte wirkungslos: ebenso für Lord Sheringham auf der Anklagebank wie für Lord Sheringham auf dem Richterstuhl.
Der Richter blickte auf mich nieder und schüttelte den Kopf. Was bedeutete ihm das alles? Nichts. Mister Trumpet winkte mich aus dem Zeugenstand. Da war nichts mehr rauszuholen. Ich hatte meinen Dienst geleistet. Jetzt war es Zeit, Schluß zu machen. Ich hörte den Richter sagen: »Genug – genug. Schafft sie fort.« Er hatte gewonnen.
Die Wachen nahten sich, das Gericht kam zur Ordnung, als sich Mister Trumpet umdrehte und zu einem letzten Angriff überging.
Erstaunlicher Mann! Er kletterte hoch zum Zeugenstand, wie man den Hauptmast zum Quersaling hinaufklettert: was ich ihn in seinem ganzen Leben nie habe tun sehen – und doch war Mister Trumpet in allem sehr seemännisch. Dann packte er die beiden hölzernen Pfosten, als wolle er sich im Sturm festhalten, und beugte sich zum Richter hinüber.
Völlig ungebeten, mit aller Macht seiner lauten Stimme, schwor er, die Wahrheit zu sagen, schwor vor dem jetzt wütenden Richter und seinen plötzlich willfährigen Helfern, die bereit und versessen waren, Mister Trumpet herunterzuzerren.
Aber mit beredsam geschwenkten Armen – was die Annäherung erschwerte – und eisernem Gesicht breitete er vor dem Gericht die Geschichte von seinem Besuch in der Dover Street 17 aus. Er erzählte, wie er den Mann auf dem Richterstuhl – der allerdings nichts ahnte – bestach, diesen erstaunlichen Morgen zu arrangieren.
Die Weiße Lady. Er sprach davon – und das Gericht wurde von unheimlichen, glitzernden Träumen erfüllt. Wenn an jenem Morgen einer da war, der von dem großen Diamanten nie gehört hatte, dann erzählten’s ihm zehn Nachbarn in Windeseile, daher hatte niemand einen Grund, unwissend zu sein.
Die Weiße Lady! Ihr Name war auf aller Lippen. Es war wie damals im Wald, als Mister Morris noch lebte und das schlimme Geflüster rings um uns zischelte.
»Die Weiße Lady? Sie müssen wahnsinnig sein. Was sollte ich von einem solchen unheilvollen Trödel wissen?«
»Sie leugnen es?«
»Mit aller Bestimmtheit.«
»Sie leugnen, daß ich Sie besucht habe?«
»Ebenfalls – ebenfalls –«
»Sie leugnen, mich schon einmal gesehen zu haben?«
»Ich leugne es. Gott sei Dank, habe ich Sie noch nie gesehen.«
»Sie lügen.«
»Sie sind wahnsinnig.«
»Ich frage noch einmal: haben Sie mich schon einmal gesehen?«
»Niemals.«
»Dann haben Sie’s vergessen. In kaum einer Woche haben Sie’s vergessen. Ein so fehlerhaftes Gedächtnis macht einen schlechten Richter, einen falschen Richter, einen zu richtenden Richter
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