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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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noch nie in Washington gearbeitet und wusste nicht, wie die Dinge hier liefen. Deshalb beschloss ich, es auf die Denver-Methode zu versuchen. Ohne Umschweife.
    »Sie können trotzdem in den Computer gelangen, stimmt’s?«
    Ich deutete mit einem Kopfnicken auf das Terminal zu seiner Linken. Er musterte mich für einen Moment, bevor er reagierte.
    »Völlig ausgeschlossen. Ich bin kein Deep Throat, Jack. Hier geht es um nichts anderes als eine Kriminalstory. Machen Sie sich nichts vor. Sie wollen nur vor dem FBI an die Sache herankommen.«
    »Sie sind doch auch Journalist.«
    »Ein ehemaliger. Jetzt arbeite ich aber hier, und ich denke nicht daran, meine Stellung aufs Spiel zu setzen, nur um ...«
    »Sie wissen so gut wie ich, dass es eine Story ist, die erzählt werden muss. Wenn Ford tatsächlich mit dem FBI telefoniert, dann tauchen hier morgen ein paar Leute auf, und die Story ist im Eimer. Sie wissen, wie schwer es ist, Informationen von ihnen zu bekommen. Diese Sache wird entweder gleich hier zu Grabe getragen, oder in einem Jahr oder vielleicht noch später als höchst dubiose Story mit mehr Vermutungen als Fakten publiziert. Das heißt, wenn Sie mir nicht Zugang zu diesem Computer verschaffen.«
    »Ich habe nein gesagt.«
    »Sie haben Recht. Alles, was ich will, ist eine Story. Den großen Knüller. Aber den habe ich verdient! Und das wissen Sie. Wenn ich nicht wäre, würde das FBI die Sache gar nicht aufgreifen. Aber nun werde ich ausgeschlossen ... Denken Sie darüber nach. Stellen Sie sich vor, Sie wären an meiner Stelle. Stellen Sie sich vor, es wäre Ihr Bruder gewesen, dem das passiert ist.«
    »Ich habe nein gesagt, klar und deutlich.«
    »Nun, wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten ...«
    »Das werde ich nicht tun.«
    »Ich fahre von hier aus zum Hilton und nehme mir dort ein Zimmer. In dem, vor dem aus man auf Reagan geschossen hat.«
    Mehr sagte ich nicht. Ich ging, und auch er sprach kein einziges Wort mehr.
15
    Um mir in meinem Zimmer im Hilton die Zeit zu vertreiben, brachte ich meine Computer-Dateien mit dem bisschen, das ich in der Foundation erfahren hatte, auf den neuesten Stand. Dann rief ich Greg Glenn an und informierte ihn über alles, was sich in Chicago und Washington ergeben hatte. Als ich fertig war, pfiff er laut vor sich hin, und ich stellte mir vor, wie er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte und darüber nachdachte, wie es weitergehen sollte.
    Tatsache war, dass ich schon jetzt eine gute Story hatte, aber ich war unzufrieden. Ich wollte in der vordersten Reihe dabei sein. Ich wollte mich nicht mit dem begnügen müssen, was das FBI und andere Ermittler mir erzählten, wenn sie gerade Lust dazu hatten. Ich wollte selbst ermitteln.
    Ich hatte zahllose Storys über die Ermittlungen in Mordfällen geschrieben, aber dabei war ich immer Beobachter gewesen. Diesmal steckte ich mittendrin, und dort wollte ich auch bleiben.
    »Sind Sie noch da, Jack?«
    »Ja, natürlich. Ich habe nur gerade an etwas anderes gedacht.«
    »Wann bekommen wir die Story?«
    »Das weiß ich noch nicht. Morgen ist Freitag. Lassen Sie mir Zeit bis morgen. Ich habe ein komisches Gefühl, was diesen Mann bei der Foundation angeht. Wenn ich bis morgen am späten Vormittag nichts von ihm gehört habe, versuche ich es beim FBI. Wenn mich das auch nicht weiterbringt, komme ich zurück und schreibe am Samstag die Story für Sonntag.«
    Sonntag war der Tag mit der größten Auflage. Ich wusste, dass Glenn sie gern am Sonntag groß herausbringen würde.
    »Also gut«, sagte er, »selbst wenn wir uns damit begnügen müssen - Sie haben schon jetzt eine ganze Menge. Eine staaten übergreifende Suche nach einem Serienmörder, der schon wer weiß wie lange sein Unwesen treibt. Das wird ...«
    »So stark ist das gar nicht. Bisher ist nichts bestätigt. Im Augenblick ist es eine Ermittlung in zwei Staaten und die Möglichkeit, dass es sich um einen Serienmörder handelt.«
    »Es ist trotzdem verdammt gut. Und sobald das FBI eingeschaltet ist, wird die Ermittlung aufs ganze Land ausgedehnt. Die New York Times, die Post, alle werden sich an uns dranhängen.«
    An mich dranhängen, hätte ich gern gesagt, aber ich tat es nicht. Glenns Worte offenbarten, was heute eigentlich hinter dem Journalismus steckt. Es ging nicht mehr um den Dienst an der Öffentlichkeit und um das Recht der Leute auf Information. Es ging um Konkurrenz, ums Austeilen von Tritten und um das Einsammeln von Namen, darum, welche Zeitung die Story hatte und welche

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