Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
Zwanzigzollmonitor darauf.
»Das ist ein REM, ein Rasterelektronenmikroskop«, sagte Pierce. »Die Experimente, die wir hier machen, sind so klein, dass man sie in den meisten Mikroskopen nicht sehen kann. Wir machen jetzt Folgendes: Wir bereiten eine vorher festgelegte Reaktion vor, mit der wir unser Projekt testen können. Wir bringen das Experiment in das Mikroskop ein und beobachten seinen Verlauf, stark vergrößert, auf dem Bildschirm.«
Pierce zeigte auf einen Kasten, der neben dem Monitor auf einem Sockel stand. Er öffnete die Tür des Kastens und nahm eine Platte mit einem Wafer darauf heraus.
»Ich werde Ihnen jetzt hier nicht in aller Ausführlichkeit jedes einzelne Protein aufzählen, das wir in der Formel verwenden, aber was wir hier auf diesem Wafer haben, sind, grob gesprochen, menschliche Zellen, denen wir jetzt eine Kombination bestimmter Proteine zugeben, die mit den Zellen eine Verbindung eingehen. Bei diesem Prozess wird die Energie freigesetzt, mit der die molekularen Vorrichtungen, von denen wir vorhin gesprochen haben, betrieben werden. Um nun diese Energieumwandlung sichtbar zu machen, legen wir die Versuchsanordnung in eine chemische Lösung, die auf diesen elektrischen Impuls empfindlich reagiert, was darin zum Ausdruck kommt, dass sie zu leuchten beginnt. Licht aussendet.«
Als Pierce darauf die Platte mit dem Wafer in den Kasten zurückschob und ihn schloss, fuhr Larraby mit der Erläuterung des Experiments fort.
»Bei diesem Prozess wird elektrische Energie in ein ATP genanntes Biomolekül umgewandelt, das die Energiequelle des Körpers ist. Einmal erzeugt, reagiert ATP mit Leuzin – demselben Molekül, das Glühwürmchen leuchten lässt. Das nennt man Chemolumineszenz.«
In Pierces Ohren klangen Larrabys Ausführungen zu akademisch. Er wollte sein Publikum nicht verlieren. Er sah Larraby an und zeigte auf den Stuhl vor dem Monitor. Der Immunologe setzte sich und begann auf der Tastatur zu tippen. Der Bildschirm war dunkel.
»Brandon bringt jetzt die beiden Versuchselemente zusammen«, sagte Pierce. »Wenn Sie jetzt auf den Bildschirm schauen, dürfte das Ergebnis ziemlich schnell ziemlich deutlich zu sehen sein.«
Er trat zurück und schob Goddard und Bechy nach vorn, damit sie über Larrabys Schultern hinweg auf den Monitor sehen konnten. Er zog sich an die Wand zurück.
»Licht.«
Die Deckenbeleuchtung ging aus. Zu Pierces nicht geringer Freude klang seine Stimme wieder so normal, dass sie innerhalb der Parameter des Audiorezeptors blieb. Bis auf den schwachen Schein des grauschwarzen Computerbildschirms herrschte in dem fensterlosen Labor vollkommene Dunkelheit. Das Licht reichte nicht aus, um die anderen Gesichter im Raum beobachten zu können. Pierce legte die Hand an die Wand und tastete damit nach dem Haken, an dem die Wärmeresonanzbrille hing. Er nahm sie herunter und setzte sie auf. Er tastete nach dem Akku auf der linken Seite und machte das Gerät an. Doch dann klappte er die Linsen hoch. Es war ihm noch zu früh für die Brille. Er hatte sie am Morgen an den Haken gehängt. Normalerweise wurde sie im Laserlabor benötigt, aber diesmal hatte er sie hier in der Bildgebung haben wollen, um Goddard und Bechy heimlich beobachten zu können und sich ein Bild davon zu machen, welchen Eindruck das Experiment bei ihnen hinterließ.
»So, jetzt geht es los«, sagte Larraby. »Sehen Sie auf den Monitor.«
Fast dreißig Sekunden lang blieb der Bildschirm grauschwarz, doch dann erschienen einzelne Lichtpunkte, wie Sterne an einem wolkenverhangenen Nachthimmel. Nach und nach wurden es immer mehr, bis der Bildschirm aussah wie die Milchstraße.
Alle waren still. Sie schauten nur.
»Schalten Sie auf Wärme, Brandon«, sagte Pierce schließlich.
Alles ein Teil der Inszenierung. Zum Schluss ein Crescendo. Larraby war so geschickt im Umgang mit der Tastatur, dass er kein Licht brauchte, um die Befehle zu sehen, die er eingab.
»Wenn wir auf Wärme schalten, heißt das, wir werden Farben sehen«, sagte er. »Unterschiede in der Impulsstärke, von Blau am unteren Ende des Spektrums bis zu Grün, Gelb, Rot und dann Violett am oberen Ende.«
Auf dem Bildschirm erschienen farbige Wellen. Hauptsächlich gelbe und rote, aber genug violette, um Eindruck zu machen. Die Farbe kräuselte sich in einer Kettenreaktion über den Bildschirm. Sie wogte wie die Oberfläche eines nächtlichen Ozeans. Es war der Strip von Las Vegas aus zehntausend Meter Höhe.
»Nordlicht«, flüsterte
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