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Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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richtete sich auf und trat von der Gefriertruhe zurück. Er betrachtete sie, lauschte ihrem ruhigen Summen. Er wusste, es wurde Zeit für etwas AE-Tätigkeit. Analyse und Evaluation. Wenn im Labor etwas Unbekanntes oder Unerwartetes eintrat, hielt man an und schaltete auf AE-Modus. Was siehst du? Was weißt du? Was bedeutet es?
    Pierce stand da und starrte auf eine Gefriertruhe, die in einem Lagerabteil stand, das – laut Firmenunterlagen – er gemietet hatte. Die Gefriertruhe enthielt die Leiche einer Frau, der er nie begegnet war, aber deren Tod ihm jetzt sicher angelastet würde.
    Pierce wusste, dass ihm da etwas raffiniert und überzeugend angehängt wurde. Dahinter steckte – zumindest zum Teil – Wentz. Er wusste allerdings nicht, warum.
    Er beschloss, sich nicht von der Frage nach dem Warum ablenken zu lassen. Noch nicht. Um sich damit zu befassen, brauchte er mehr Informationen. Stattdessen entschied er sich für mehr AE. Wenn es ihm gelang, das Komplott auseinander zu nehmen und alle seine beweglichen Teile zu untersuchen, fand er vielleicht heraus, wer warum dahinter steckte.
    Er fing an, auf dem engen Raum vor der Gefriertruhe auf und ab zu gehen, und begann mit den Dingen, die dazu geführt hatten, dass er das Komplott entdeckt hatte. Die Chipkarte und die Schlüssel für die Vorhängeschlösser. Sie waren versteckt oder zumindest getarnt gewesen. Hatte er sie finden sollen? Er blieb stehen und erwog die Frage eine Zeit lang, bevor er sie mit Nein beantwortete. Mit Glück hatte er gemerkt, dass jemand in seinem Auto gewesen war. Ein Plan dieser Größenordnung und Komplexität konnte nicht auf so viel Glück bauen.
    Deshalb zog er jetzt den Schluss, dass er einen Ansatzpunkt hatte. Er wusste etwas, was er nicht wissen sollte. Er wusste von der Leiche und der Gefriertruhe und dem Lagerraum. Er hatte das Versteck der Falle entdeckt, bevor sie zugeschnappt war.
    Nächste Frage. Was wäre passiert, wenn er die Chipkarte nicht gefunden hätte und nicht auf die Leiche gestoßen wäre?
    Langwiser hatte ihn vor einer bevorstehenden Durchsuchung durch die Polizei gewarnt. Sicher würden Renner und seine Kollegen keinen Stein auf dem anderen lassen. Sie würden die Chipkarte finden und sich von ihr zu dem Lagerraum führen lassen. Sie würden an seinem Schlüsselbund nach Schlüsseln für die Vorhängeschlösser suchen, und sie würden die Leiche finden. Ende der Geschichte. Dann konnte Pierce versuchen, angesichts dieser erdrückenden Indizien seine Unschuld zu beweisen.
    Seine Kopfhaut wurde warm, als er merkte, wie knapp er dem entgangen war – wenn auch nur vorerst. Gleichzeitig wurde ihm klar, wie gründlich und sorgfältig das Ganze geplant worden war. Es baute auf den polizeilichen Ermittlungen auf. Es baute darauf auf, dass Renner die Maßnahmen ergriff, die er ergriff.
    Es baute auch auf Pierce. Und als ihm das klar wurde, spürte er, wie ihm der Schweiß auf die Kopfhaut trat. Ihm wurde heiß unter seinem Hemd. Er brauchte Kühlung. Die Verwirrung und Bestürzung, die sich seiner bemächtigt hatten – vielleicht sogar das ehrfürchtige Staunen, mit dem er den raffinierten Plan studierte –, das alles schlug jetzt in Ärger um, wurde zu nadelspitzer Wut geschmiedet.
    Jetzt begriff er, dass das Komplott – der Versuch, ihn zu ruinieren – darauf aufbaute, dass er sich so verhielt, wie er sich verhalten hatte. Und zwar Schritt für Schritt. Das Ganze stützte sich auf seine Vorgeschichte und die auf dieser Vorgeschichte basierende Wahrscheinlichkeit der von ihm unternommenen Schritte. Wie Chemikalien auf einem Wafer, wie Elemente, bei denen man sich darauf verlassen konnte, dass sie auf vorhersehbare Weise reagierten, sich nach erwarteten Mustern verbanden.
    Er trat vor und öffnete die Gefriertruhe noch einmal. Er musste es tun. Er musste noch einmal hineinschauen, damit ihn der Schock über das alles wie kaltes Wasser im Gesicht treffen würde. Er musste etwas unternehmen. Er musste nach einem unvorhersehbaren Schema handeln. Er brauchte einen Plan, und er brauchte einen klaren Kopf, um einen zu entwerfen.
    Die Leiche hatte sich offensichtlich nicht bewegt. Mit einer Hand hielt Pierce den Deckel der Gefriertruhe auf, die andere hielt er sich vor den Mund. Lilly Quinlan wirkte so winzig in ihrer letzten Ruhe. Wie ein Kind. Er versuchte sich an die Größen- und Gewichtsangaben zu erinnern, die sie auf ihrer Internetseite so brav angegeben hatte, aber es schien so lange her, dass er es zum ersten

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