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Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Mal gelesen hatte, dass er sich nicht erinnern konnte.
    Er verlagerte sein Gewicht auf die Füße, und durch diese Bewegung veränderte sich der Lichteinfall in die Gefriertruhe. In diesem Moment sah er unter ihrem Haar etwas aufblitzen, und er beugte sich in die Truhe.
    Mit der freien Hand versuchte er, die Haare aus ihrem Gesicht zu ziehen. Sie waren gefroren, und die einzelnen Strähnen brachen, wenn er sie bewegte. Er legte ihr nach oben gewandtes Ohr frei. Am Läppchen war ein Ohrring befestigt. Eine silberne Schale mit einem Bernsteintropfen und einer silbernen Feder darunter. Er drehte die Hand, damit der Bernstein mehr von dem in die Truhe fallenden Licht abbekam. Und dann sah er es. Ein winziges, im Bernstein erstarrtes Insekt, vor langer Zeit von Süße und Nahrung angelockt, aber gefangen in einer der tödlichen Fallen der Natur.
    Pierce dachte über das Schicksal dieses Insekts nach, und ihm wurde klar, was er zu tun hatte. Er musste sie verstecken. Lilly verstecken. Sie wegschaffen. Verhindern, dass sie entdeckt wurde. Von Renner. Oder von jemand anderem.
    Ihm entfuhr ein Seufzer, als er darüber nachdachte. Der Moment war unwirklich, geradezu bizarr. Er überlegte, wie er eine tiefgefrorene Leiche verstecken könnte, und zwar so, dass sich kein direkter Zusammenhang mit ihm herstellen ließe. Es war fast ein Ding der Unmöglichkeit.
    Rasch machte er die Gefriertruhe wieder zu und schloss sie ab, als könnte er dadurch verhindern, dass ihr Inhalt jemals herauskäme und ihn verfolgte.
    Aber die simple Handlung machte der Trägheit in seinem Kopf ein Ende. Er begann zu denken.
    Er musste die Gefriertruhe wegschaffen. Eine andere Wahl hatte er nicht. Renner war im Anmarsch. Es war nicht auszuschließen, dass Renner den Lagerraum auch ohne die Hinweise in Gestalt der Schlüssel und der Chipkarte fand. Pierce musste mit allem rechnen. Er musste die Gefriertruhe wegschaffen. Wenn Renner sie fand, war alles aus. Amedeo Tech, Proteus, sein Leben, alles. Danach wäre er ein in Bernstein eingeschlossenes Insekt.
    Pierce beugte sich vor und legte die Hände auf die vorderen Ecken der Gefriertruhe. Um zu sehen, ob sie sich bewegen ließ, drückte er dagegen. Ohne nennenswerten Widerstand rutschte die Gefriertruhe die verbleibenden fünfzehn Zentimeter zur Rückwand des Abteils. Sie hatte Rollen. Sie ließ sich bewegen. Jetzt war die Frage, wohin.
    Eine schnelle Lösung war gefragt, etwas, das zumindest kurzfristig seinen Zweck erfüllte, bis er sich auf lange Sicht etwas ausgedacht hatte. Er verließ den Raum und ging auf der Suche nach einem unverschlossenen, nicht vermieteten Abteil rasch den Flur hinunter.
    Er war bereits am Aufzug vorbei und auf halbem Weg die andere Seite des Gangs hinunter, als er eine Tür fand, an deren Bügel sich kein Vorhängeschloss befand. Die Tür trug die Nummer 207. Das Lämpchen des Kartenlesegeräts leuchtete weder grün noch rot. Offensichtlich war die Alarmanlage ausgeschaltet und würde es vermutlich bleiben, bis das Abteil vermietet wurde. Pierce bückte sich, klappte den Überfall zurück und zog die Tür hoch. Der Raum dahinter war dunkel. Kein Alarm ertönte. Pierce fand den Lichtschalter, drückte darauf und stellte fest, dass das Abteil genau so aussah wie das, das auf seinen Namen gemietet worden war. Einschließlich der Steckdose an der Rückwand.
    Er rannte zum Abteil 231 zurück. Er zwängte sich hinter die Gefriertruhe und zog den Stecker heraus. Das Summen des elektrischen Herzens der Gefriertruhe verstummte. Er warf das Kabel über den Deckel der Truhe und lehnte sich mit seinem Gewicht dagegen. Die Gefriertruhe ließ sich relativ mühelos zur Tür rollen. In wenigen Sekunden hatte er sie aus dem Abteil und auf den Korridor hinausgeschoben.
    Damit sich die Gefriertruhe auf engem Raum vor- und zurückschieben ließ und bei Reparaturen zugänglich war, waren die Rollen festgestellt. Pierce musste in die Knie gehen und seine ganze Kraft aufwenden, um sie um neunzig Grad zu drehen. Dabei schabten die Rollen laut über den Boden. Sobald die Truhe in die richtige Richtung zeigte, begann Pierce kräftiger zu schieben, und das schwere Gerät kam in Schwung. Er hatte noch nicht einmal die Hälfte des Wegs zu Abteil 207 zurückgelegt, als er den Aufzug nach oben kommen hörte. Um besser schieben zu können, ging er tiefer in die Knie. Aber egal, wie viel Kraft er aufwendete, die Truhe schien nicht schneller rollen zu wollen. Die Rollen waren klein und nicht auf

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