Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
Datenfänger. Wenn man es entsprechend programmierte und an einem Großrechner anbrachte, fing es den gesamten E-Mail-Verkehr des Computersystems ab und leitete ihn über das Funkmodem an eine bestimmte Adresse weiter. Im Hackerjargon nannte man so ein Gerät einen Sniffer, weil es alle eingehenden Daten sammelte, damit sie der Dieb hinterher in Ruhe nach den Juwelen durchschnüffeln konnte.
Zellers Miene spiegelte tiefe Besorgnis wider. Er ist ein guter Schauspieler, dachte Pierce.
»Selbst gebaut«, sagte Zeller, als er das Gerät untersuchte.
»Sind sie das nicht alle?«, fragte Pierce. »Oder kann man einen Sniffer seit neuestem auch schon bei Radio Shack kaufen?«
Zeller ignorierte die Bemerkung.
»Wie zum Teufel ist das da hier reingekommen, und warum hat es der Kerl, der das System wartet, nicht gesehen?«
Pierce lehnte sich zurück und versuchte, möglichst ruhig zu bleiben.
»Warum lässt du nicht endlich das blöde Theater und erzählst es mir, Cody?«
Zeller blickte von dem Gerät in seiner Hand zu Pierce. Er wirkte überrascht und gekränkt.
»Woher soll ich das wissen? Ich habe dein System gebaut, aber nicht dieses Teil da.«
»Genau, du hast das System gebaut. Und das da war in den Großrechner eingebaut. Die Wartungsleute haben es deshalb nicht gesehen, weil sie entweder von dir bestochen waren oder weil es zu gut versteckt war. Ich habe es nur gefunden, weil ich danach gesucht habe.«
»Jetzt hör aber mal zu. Jeder mit einer Chipkarte hat Zugang zu diesem Computerraum und könnte dieses Teil angebracht haben. Als wir das hier alles geplant haben, habe ich dir geraten, den Computerraum hier unten im Labor einzurichten. Aus Sicherheitsgründen.«
Nachdem er noch einmal alle Punkte dieses drei Jahre alten Disputs durchgegangen war und seine damalige Entscheidung bestätigt gesehen hatte, schüttelte Pierce den Kopf.
»Der Großrechner hätte sich störend auf die Experimente ausgewirkt. Das weißt du ganz genau. Aber darum geht es auch nicht. Das hier ist dein Sniffer. Ich mag zwar in Stanford von Informatik auf Chemie umgesattelt haben, aber ein bisschen kenne ich mich auf diesem Gebiet immer noch aus. Ich habe die Modemkarte in mein Notebook eingesteckt und sie zum Einwählen benutzt. Sie ist programmiert. Ich wurde mit einer Datensammel-Site verbunden, die unter DoomstersInk registriert ist.«
Er wartete auf eine Reaktion und bekam eine kaum wahrnehmbare Augenbewegung von Zeller.
»Ein Wort, Ink wie die Tinte in einem Füller«, fuhr Pierce fort. »Aber das weißt du ja bereits. Es ist eine ziemlich oft frequentierte Seite, denke ich mal. Ich würde sagen, du hast den Sniffer installiert, als wir hier eingezogen sind. Seit drei Jahren beobachtest du, lauschst du, klaust du – oder wie du es sonst nennen willst.«
Zeller schüttelte den Kopf und legte das Gerät auf den Schreibtisch zurück. Er hielt den Blick gesenkt, als Pierce fortfuhr.
»Vor ungefähr einem Jahr – nachdem ich Larraby eingestellt hatte – begannen wir uns E-Mails über ein Projekt mit dem Namen Proteus zuzuschicken. Dann folgten E-Mails entsprechenden Inhalts an Charlie und schließlich auch an meinen Patentanwalt. Ich habe nachgesehen, Mann. Ich behalte alle meine E-Mails. Was das angeht, bin ich ein bisschen paranoid. Jedenfalls habe ich mir den ganzen Verkehr angesehen, und du könntest dir anhand der E-Mails durchaus zusammengereimt haben, woran wir da arbeiteten. Nicht die Formel selbst – so blöd waren wir nicht. Aber doch genug, um zu merken, was wir da hatten und was wir damit machen würden.«
»Na schön, und wenn es tatsächlich so wäre? Dann habe ich eben mitgehört. Ist das so schlimm?«
»Das Schlimme ist, dass du uns verkauft hast. Du hast das, was du hattest, benutzt, um mit jemandem ein Geschäft zu machen.«
Zeller schüttelte traurig den Kopf.
»Weißt du was, Henry? Ich gehe jetzt. Ich glaube, du hast zu lange in diesem Loch hier rumgesessen. Weißt du, als ich damals diese Plastikautos verbrannte, hab ich gewaltige Kopfschmerzen von dem Gestank bekommen. Ich meine, das kann doch nicht gut für dich sein. Und jetzt sieh dich mal an …«
Er zeigte auf die Tür des Leiterlabors.
Pierce stand auf. Seine Wut fühlte sich an wie ein faustgroßer Stein, der ihm in der Kehle steckte.
»Du hast mich da reingeritten. Ich weiß nicht, worum es dabei genau geht, aber du hast mich da ganz übel reingeritten.«
»Bist du jetzt vollends durchgeknallt, Mann? In was soll ich dich reingeritten
Weitere Kostenlose Bücher