Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen
wolltest dorthin. Der Kunde, das Auto, das ganze Trara, das entspricht alles der Wahrheit.«
»Was meinst du damit, das Auto?«
»Das habe ich dir doch erzählt. Dass der Parkplatz besetzt war, obwohl er eigentlich für den Kunden hätte frei gehalten werden sollen. Für meinen Kunden. Das war ärgerlich, weil wir woanders parken und dann zu Fuß zurückgehen mussten, und dabei ist er ins Schwitzen gekommen. Und ich kann verschwitzte Typen auf den Tod nicht ausstehen. Und als wir dann endlich da waren, war Lilly nicht da. Es war einfach richtig scheiße.«
Jetzt fiel es Pierce wieder ein. Er hatte es beim ersten Durchgang übersehen, weil er nicht gewusst hatte, was er fragen sollte. Er hatte nicht gewusst, was wichtig war. Lilly Quinlan hatte damals nicht geöffnet, weil sie tot in der Wohnung lag. Aber möglicherweise war sie nicht allein dort gewesen. Da war ein Auto gewesen.
»Das Auto auf ihrem Parkplatz? War das ihres?«
»Nein, ich hab dir doch gesagt, dass sie ihn immer für den Kunden freiließ.«
»Kannst du dich noch an das Auto erinnern, das dort stand?«
»Ja, und zwar deswegen, weil das Verdeck offen war und ich in dieser Gegend nie ein Auto mit offenem Verdeck stehen lassen würde. Dafür ist es viel zu nahe am Strand, wo die ganzen Penner rumhängen.«
»Was war es für ein Wagen?«
»Ein schwarzer Jaguar.«
»Mit offenem Verdeck.«
»Ja. Hab ich doch gesagt.«
»Ein Zweisitzer?«
»Yeah, der Sportwagen.«
Pierce sah sie lange an, ohne ein Wort zu sagen. Einen Augenblick lang wurde ihm schwindlig, und er fürchtete, er würde auf der Couch ohnmächtig werden und mit dem Gesicht voran auf die Pizzaschachtel fallen. Alles kam gleichzeitig in seinen Kopf geschossen. Er sah alles, hell erleuchtet und schimmernd, und alles schien zusammenzupassen.
»Das Nordlicht.«
Er flüsterte es kaum hörbar.
»Was?«, fragte Lucy.
Pierce zog sich von der Couch hoch.
»Ich muss jetzt gehen.«
»Alles in Ordnung?«
»Inzwischen ja.«
Er ging zur Tür, blieb aber plötzlich stehen und drehte sich zu Lucy um.
»Grady Allison?«
»Was ist mit ihm?«
»Hätte es sein Wagen gewesen sein können?«
»Ich weiß nicht. Ich hab seinen Wagen nie gesehen.«
»Wie sieht er aus?«
Pierce dachte an das Verbrecherfoto von Allison, das Zeller ihm geschickt hatte. Ein blasser Schlägertyp mit gebrochener Nase und pomadisiertem Haar.
»Ähm, ziemlich jung, ledrige Haut, als wäre er zu viel in der Sonne gewesen.«
»Wie ein Surfer?«
»Hm-mhm.«
»Er hat einen Pferdeschwanz, richtig?«
»Manchmal.«
Pierce nickte und wandte sich wieder zur Tür.
»Möchtest du nicht deine Pizza mitnehmen?«
Pierce schüttelte den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass ich sie jetzt runter bekäme.«
37
Es dauerte zwei Stunden, bis Cody Zeller endlich bei Amedeo Technologies auftauchte. Weil Pierce Zeit brauchte, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen, hatte er seinen Freund nicht vor Mitternacht angerufen. Dann sagte er ihm, er müsse auf der Stelle in die Firma kommen, weil jemand in ihr Computersystem eingedrungen sei. Zeller hatte sich zunächst gesträubt, er habe Damenbesuch und könne erst am Morgen kommen. Darauf sagte Pierce, am Morgen wäre es bereits zu spät. Er sagte, er werde keine Entschuldigung akzeptieren, er brauche ihn, es sei ein Notfall. Ohne es auszusprechen, machte ihm Pierce klar, er müsse seiner Bitte nachkommen, wenn ihm weiter an einer Zusammenarbeit mit Amedeo und an ihrer Freundschaft gelegen sei. Es kostete ihn einige Überwindung, mit ruhiger Stimme zu sprechen, weil ihre Freundschaft in diesem Moment bereits unwiederbringlich beendet war.
Zwei Stunden nach dem Anruf saß Pierce im Labor und beobachtete auf dem Computermonitor die Überwachungskameras, während er auf Zeller wartete. Es war ein Multiplexsystem, das ihm ermöglichte, Zeller von dem Augenblick an zu verfolgen, in dem er seinen schwarzen Jaguar in der Parkgarage abstellte und durch den Haupteingang in die verlassene Eingangshalle kam, wo ihm der Sicherheitsbeamte mit dem Hinweis, Pierce erwarte ihn im Labor, eine Chipkarte aushändigte. Pierce beobachtete, wie Zeller mit dem Aufzug nach unten fuhr und die Schleuse betrat. An diesem Punkt schaltete er die Überwachungskameras aus und machte das Spracherkennungsprogramm des Computers an. Er richtete das Mikrofon auf dem Monitor aus und schaltete den Bildschirm dann aus.
»So«, sagte er. »Dann mal los. Zeit, diese Fliege
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