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Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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endeten. Folglich hatte sie die Telefonrechnungen mit dem Scheckheft bezahlt, das er in der Hand hielt, und aller Wahrscheinlichkeit nach an dem Schreibtisch, an dem er saß. Aber er konnte im ganzen Schreibtisch nicht eine einzige Telefonrechnung finden.
    Da er das Gefühl hatte, die Zeit werde knapp, gab er es auf, sich über diesen Widerspruch den Kopf zu zerbrechen, und schloss die Schublade. Als er darauf den Rollaufsatz wieder nach unten ziehen wollte, fiel sein Blick auf ein Büchlein, das ganz hinten in einem der Fächer des Aufsatzes steckte. Er zog es heraus und stellte fest, dass es ein kleines Adressbuch war. Als er es mit dem Daumen durchblätterte, sah er, dass es voll mit handschriftlichen Einträgen war. Ohne lange zu überlegen, steckte er das Büchlein zu den zwei Briefen in seine Gesäßtasche.
    Er zog den Rollaufsatz nach unten, stand auf und blickte sich ein letztes Mal in den beiden vorderen Zimmern um. Dabei sah er, wie sich hinter dem geschlossenen Rollo des Wohnzimmerfensters ein Schatten bewegte. Jemand kam auf die Eingangstür zu.
    Pierce durchfuhr nackte Panik. Er wusste nicht, ob er sich verstecken oder durch den Hintereingang verdrücken sollte. Aber er konnte sowieso nichts tun. Er stand wie angewurzelt da, als er auf den gefliesten Stufen vor der Eingangstür Schritte hörte.
    Ein metallisches Klicken ließ ihn zusammenfahren. Durch den Schlitz in der Tür wurden ein paar Briefe geschoben, die auf die andere Post fielen. Pierce schloss die Augen.
    »O Mann!« Er ließ den Atem entweichen und versuchte sich zu entspannen.
    Der Schatten bewegte sich wieder in der anderen Richtung über das Wohnzimmerrollo. Dann war er verschwunden.
    Pierce ging zur Tür und sah auf den jüngsten Posteingang. Ein paar weitere Rechnungen, aber hauptsächlich Reklamesendungen. Als er, um nichts zu übersehen, die Umschläge mit der Fußspitze auseinander schob, fiel sein Blick auf einen kleinen von Hand beschrifteten Umschlag. Er bückte sich, um ihn aufzuheben. In der linken oberen Ecke des Kuverts stand »V. Quinlan«, aber keine Adresse. Der Poststempel war zum Teil verschmiert, und er konnte nur »pa, Fla.« entziffern. Er drehte das Kuvert um und inspizierte den Verschluss. Um den Umschlag zu öffnen, müsste er ihn aufreißen.
    Diesen offensichtlich persönlichen Brief zu öffnen, schien ihm irgendwie indiskreter und krimineller als alles, was er bisher getan hatte. Aber seine Skrupel waren nicht von langer Dauer. Er öffnete das Kuvert mit einem Fingernagel und zog ein kleines zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Es war ein vier Tage zuvor datierter Brief.
     
    Lilly,
    ich mache mir schreckliche Sorgen um dich. Bitte ruf mich an und gib mir Bescheid, dass es dir gut geht, wenn du diesen Brief erhältst. Bitte, Schatz! Seit du aufgehört hast, mich anzurufen, kann ich nicht mehr ruhig schlafen. Ich mache mir deinetwegen und wegen deines Jobs große Sorgen. Hier ist nicht alles so optimal gelaufen, und ich weiß, ich habe Fehler gemacht. Trotzdem finde ich, dass du mir sagen solltest, ob es dir gut geht. Bitte ruf mich an, falls und wenn du diesen Brief erhältst.
    In Liebe, Mom,
     
    Pierce las den Brief zweimal, dann faltete er ihn wieder und steckte ihn in den Umschlag zurück. Mehr als alles andere in der Wohnung, das verdorbene Obst eingeschlossen, bestätigte dieser Brief seine schlimmsten Befürchtungen. Er glaubte nicht, dass V. Quinlans Brief mit einem Anruf oder sonstwie beantwortet werden würde.
    Er verschloss den Umschlag wieder, so gut es ging, und verbarg ihn rasch in dem Haufen Post auf dem Fußboden. Das Erscheinen des Briefträgers hatte ihm die Risiken vor Augen geführt, die er mit seiner Anwesenheit im Haus einging. Jetzt musste Schluss sein. Rasch drehte er sich um und ging den Flur hinunter in die Küche.
    Nachdem er das Haus durch die Hintertür verlassen hatte, machte er sie zu, schloss sie aber nicht ab. So lässig wie ein Amateureinbrecher konnte, schlenderte er um die Ecke des Hauses und die Einfahrt zur Straße hinunter.
    Etwa auf halbem Weg am Haus vorbei hörte er oben auf dem Dach einen lauten Knall, und dann kullerte ein großer Kiefernzapfen vom Dachvorsprung und landete vor ihm auf dem Boden. Als Pierce darüber hinwegstieg, wurde ihm klar, was das Geräusch verursacht hatte, das ihn so erschreckt hatte, als er im Haus war. Er nickte, als er den entsprechenden Schluss zog. Wenigstens ein Rätsel hatte er

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