Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
einem der zwei Stühle lag eine ordentlich gefaltete Zeitung.
    Auf der Arbeitsplatte stand neben dem Toaster eine große Schale mit undefinierbaren dunklen Gegenständen, bei denen es sich offenbar um verdorbene Früchte handelte.
    Jetzt hatte er etwas. Etwas, das nicht passte, etwas, das zeigte, dass irgendwas nicht stimmte. Obwohl er wusste, dass niemand im Haus war, der ihm antworten konnte, klopfte er laut an das Fenster in der Tür. Dann drehte er sich um und sah sich im Garten nach etwas um, mit dem er das Fenster einschlagen könnte. Dabei legte er instinktiv die Hand um den Türknauf und drehte ihn.
    Die Tür war nicht abgeschlossen.
    Ohne den Türknauf loszulassen, drehte sich Pierce wieder herum und drückte gegen die Tür, worauf diese fünfzehn Zentimeter aufging. Er wartete, dass eine Alarmanlage ertönte, aber sein Eindringen wurde nur von Stille begrüßt. Und fast sofort konnte er den ekelhaft süßlichen Geruch der verfaulten Früchte riechen. Oder vielleicht war es auch etwas anderes. Er nahm die Hand vom Türknauf und drückte die Tür weiter auf, beugte sich nach drinnen und rief:
    »Lilly? Lilly, ich bin’s, Henry.«
    Er wusste nicht, ob er es für die Nachbarn oder für sich selbst tat, aber er rief ihren Namen zwei weitere Male, ohne eine Antwort zu erwarten oder zu bekommen. Bevor er das Haus betrat, drehte er sich um und setzte sich auf die Eingangstreppe. Er überlegte, ob er reingehen sollte oder nicht. Er dachte an Monicas Reaktion auf sein Verhalten, und was sie gesagt hatte: Rufen Sie doch einfach die Polizei.
    Jetzt war der Zeitpunkt, um das zu tun. Irgendetwas stimmte nicht, und er hatte eindeutig einen Grund, zur Polizei zu gehen. Tatsache war allerdings, dass er nicht bereit war, die Sache aus den Händen zu geben. Noch nicht. Egal, worum es sich hier handelte, es war nach wie vor seine Sache, und er wollte sie weiter verfolgen. Seine Beweggründe hatten nicht nur mit Lilly Quinlan zu tun. Sie reichten weiter zurück und waren in der Vergangenheit verwurzelt. Er versuchte, die Gegenwart gegen die Vergangenheit einzutauschen, jetzt zu tun, was er damals nicht hatte tun können.
    Er erhob sich von den Stufen und öffnete die Tür ganz. Er betrat die Küche und schloss die Tür hinter sich.
    Von irgendwo aus dem Haus kam leise Musik. Pierce blieb stehen und sah sich noch einmal in der Küche um, konnte aber außer den Früchten in der Schale nichts Ungewöhnliches entdecken. Er öffnete den Kühlschrank und sah einen Karton Orangensaft und eine Plastikflasche mit fettarmer Milch. Das Verfallsdatum der Milch war der achtzehnte August. Das des Safts der sechzehnte August. Das Haltbarkeitsdatum der beiden Getränke war über einen Monat abgelaufen.
    Pierce ging zum Tisch und zog den Stuhl heraus. Darauf lag die Los Angeles Times vom ersten August.
    Von der linken Seite der Küche führte ein Flur zur Vorderseite des Hauses. Als Pierce den Flur betrat, sah er den Berg Post, der sich unter dem Briefschlitz in der Eingangstür türmte. Bevor er jedoch zum Vordereingang ging, sah er in die drei Zimmer, die vom Flur abgingen. Eine Tür führte in ein Bad, in dem jede waagrechte Fläche mit Parfüms und Kosmetika vollgestellt war, die alle mit einer dünnen Staubschicht überzogen waren. Er griff sich ein grünes Fläschchen heraus und öffnete es. Er hielt es an seine Nase und roch den Duft des Fliederparfüms. Es war derselbe Duft, den Nicole benutzte; er hatte die Flasche wiedererkannt. Nach einer Weile schloss er die Flasche und stellte sie an ihren Platz zurück und ging wieder auf den Flur hinaus.
    Die zwei anderen Türen führten in Schlafzimmer. Eines schien ihr Schlafzimmer zu sein. Beide Schränke darin waren offen und gerammelt voll mit Kleidern auf Holzbügeln. Die Musik kam aus einem Radiowecker auf dem Nachttisch auf der rechten Seite.
    Das andere Schlafzimmer schien als Fitnessraum zu dienen. Bett gab es darin keines, aber dafür einen Stepper und einen Ruderapparat auf einer Grasmatte mit einem kleinen Fernseher davor. Pierce öffnete den einzigen Schrank und fand weitere Kleider auf Bügeln. Er wollte ihn gerade wieder zumachen, als ihm etwas auffiel. Die Kleider in diesem Schrank waren anders. Etwa ein halber Meter der Stange war kleinen Sachen vorbehalten – Negligees und Gymnastikanzügen. Er entdeckte etwas Bekanntes und griff nach dem Bügel, an dem es hing. Es war das schwarze Netznegligee, in dem sie auf dem Foto im Internet posiert hatte.
    Das erinnerte ihn an etwas.

Weitere Kostenlose Bücher