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Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Bades mit einer Dusche war die Galerie höchstens zwanzig Quadratmeter groß. Hier oben roch es nach einer unangenehmen Mischung aus intensivem Räucherstäbchenduft und etwas anderem, das Pierce nicht einordnen konnte. Ein bisschen war es wie die abgestandene Luft in einem ausgeschalteten Kühlschrank. Es war da, wurde aber von den Räucherstäbchen überdeckt, die den Raum besetzten wie ein Geist.
    Auf der offenen Galerie stand ein Doppelbett ohne Kopfteil. Es nahm fast die ganze Fläche ein und ließ nur Platz für einen kleinen Nachttisch und eine Leselampe. Auf dem Tisch stand ein Räucherstäbchenhalter in Form einer Kamasutrafigur, ein dicker Mann, der von hinten mit einer dünne Frau kopulierte. Der lange Aschestreifen eines abgebrannten Räucherstäbchens lappte über die Schale des Halters auf den Tisch. Pierce fragte sich, warum Wainwright den Halter nicht mitgenommen hatte. Sonst schien er alles eingepackt zu haben.
    Das Bettzeug war hellblau, der Teppichboden beige. Pierce ging zu einem kleinen Schrank und schob die Tür auf. Er war leer, sein Inhalt in einer der Schachteln im Erdgeschoss.
    Pierce schaute zum Bett. Es sah aus, als wäre es sorgfältig gemacht worden, das Laken straff unter die Matratze gesteckt. Aber es gab keine Kissen, was er seltsam fand. Er dachte, dass das unter Callgirls vielleicht auch so ein ungeschriebenes Gesetz war. Robin hatte gesagt, Regel Nummer eins lautete: kein Sex ohne Gummi. Vielleicht war Regel Nummer zwei: keine Kissen – weil sich damit zu leicht jemand ersticken ließ.
    Er kniete auf den Boden und schaute unter das Bettgestell. Dort war nichts als Staub.
    Doch dann entdeckte er auf dem beigefarbenen Teppichboden einen dunklen Fleck, der seine Neugier weckte. Er richtete sich auf und schob das Bett an die Rückwand, um die Stelle freizulegen. Weil eins der Räder klemmte, war das nicht ganz einfach. Das Bett holperte und schlingerte über den Teppichboden.
    Was auf den Teppich getropft oder geschüttet worden war, war getrocknet. Es war bräunlich schwarz, und Pierce wollte es nicht berühren, weil er dachte, es könnte Blut sein. Außerdem wurde ihm klar, dass davon der Geruch herrührte, den die Räucherstäbchen nicht ganz überdecken konnten. Er stand auf und schob das Bett wieder über den Fleck.
    »Was machen Sie da oben eigentlich?«, rief Wainwright.
    Pierce antwortete nicht. Er ging ganz in seiner Beschäftigung auf. Er packte eine Ecke der Tagesdecke und zog sie hoch, sodass die Matratze darunter zum Vorschein kam. Keine Matratzenauflage, kein Laken. Keine Decke.
    Er begann, die Tagesdecke vom Bett zu ziehen. Er wollte die Matratze sehen. Laken und Decken konnten ganz einfach aus einer Wohnung entfernt und weggeworfen werden. Selbst Kissen konnte man verschwinden lassen. Mit der Matratze eines Doppelbetts war das allerdings eine andere Sache.
    Beim Zurückziehen der Tagesdecke hinterfragte er die Instinkte, denen er blindlings folgte. Er verstand nicht, woher er wusste, was er anscheinend wusste. Doch als die Tagesdecke von der Matratze rutschte, hatte Pierce ein Gefühl, als fielen seine Eingeweide in sich zusammen. Die Mitte der Matratze war schwarz von etwas, das gestockt und getrocknet war und die Farbe des Todes hatte. Es konnte nur Blut sein.
    »Au, Mann!«, sagte Wainwright.
    Er war die Treppe hochgekommen, um zu sehen, was die Geräusche zu bedeuten hatten. Er blieb hinter Pierce stehen.
    »Ist das etwa das, wofür ich es halte?«
    Pierce antwortete nicht. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Am Tag zuvor hatte er sein neues Telefon eingesteckt. Wenig mehr als vierundzwanzig Stunden später hatte es ihn zu dieser grausigen Entdeckung geführt.
    »Falsch verbunden«, sagte er.
    »Was?«, fragte Wainwright. »Was haben Sie gerade gesagt?«
    »Nichts. Gibt es hier irgendwo ein Telefon?«
    »Nein. Nicht, dass ich wüsste.«
    »Haben Sie ein Handy?«
    »Im Auto.«
    »Holen Sie es.«

 
     
     
     
     
     
     
     
     
    14
    Pierce schaute auf, als Detective Renner hereinkam. Er versuchte sich zu beherrschen, denn er wusste, dass er umso schneller hier raus und nach Hause käme, je ruhiger er blieb. Trotzdem, nach mehr als zwei Stunden in einem sechs Quadratmeter großen Raum mit nichts anderem zu lesen als einem fünf Tage alten Sportteil war seine Geduld am Ende. Er hatte bereits zweimal eine Aussage zu Protokoll gegeben. Einmal für die Streifenpolizisten, die auf Wainwrights Anruf hin erschienen waren, und dann noch einmal für Renner und seinen

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