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Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen

Titel: Jack McEvoy 05 - Unbekannt verzogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Leute nicht und weißt nicht, wozu sie in der Lage sind.«
    »Davon habe ich schon eine Ahnung.«
    »Ach ja? Wie willst du davon auch nur die blasseste Ahnung haben?«
    »Ich hatte mal eine Schwester …«
    »Und?«
    »Und man könnte sagen, sie war in deiner Branche.«
    Er sah zu Robin hinüber. Sie hielt den Blick geradeaus nach vorn gerichtet.
    »Eines Morgens entdeckte ein Schulbusfahrer ihre Leiche oben am Mulholland Drive, ein Stück unterhalb des Geländers. Ich war damals in meinem zweiten Jahr in Stanford.«
    Er sah wieder auf die Straße.
    »Irgendwie ist das schon eine komische Stadt«, fuhr er nach einer Weile fort. »Meine Schwester, sie lag ganz offen da, nackt … und die Cops sagten, sie könnten anhand der … Spuren sagen, dass sie schon mindestens ein paar Tage da gelegen hatte. Und ich habe mich immer gefragt, wie viel Leute sie gesehen haben, weißt du? Wie viel sie gesehen und nichts unternommen haben. Niemanden angerufen haben. Manchmal kann diese Stadt ganz schön kalt sein.«
    »Das kann jede Stadt sein.«
    Er sah wieder zu ihr hinüber. Er konnte die Betroffenheit in ihren Augen sehen, so, als blickte sie auf ein Kapitel ihres eigenen Lebens. Möglicherweise das Schlusskapitel.
    »Haben sie den Kerl gefasst?«, fragte sie.
    »Irgendwann. Aber erst, nachdem er noch vier andere umgebracht hatte.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Was willst du hier eigentlich, Henry? Diese Geschichte hat nichts mit dieser hier zu tun.«
    »Ich weiß nicht, was ich will. Ich … ich versuche einfach, dieser Sache auf den Grund zu gehen.«
    »So kannst du schnell unter die Räder kommen.«
    »Jetzt hör doch endlich! Niemand wird erfahren, dass du mit mir geredet hast. Rück schon endlich raus damit, was du über Lilly weißt.«
    Schweigen.
    »Sie wollte aussteigen, stimmt’s? Sie hatte genug Geld verdient, sie wollte studieren. Sie wollte aussteigen.«
    »Jede will aussteigen. Glaubst du, uns macht das Spaß?«
    Pierce schämte sich über die Art, wie er sie unter Druck setzte. So, wie er sie benutzt hatte, unterschied er sich nicht groß vom Rest ihrer zahlenden Kunden.
    »Entschuldigung«, sagte er.
    »Erzähl mir bloß nicht, es tut dir Leid. Du bist genau wie die anderen. Du willst etwas, und du bist ganz versessen darauf. Bloß kann ich dir das andere wesentlich leichter geben als das, was du willst.«
    Er blieb still.
    »Dort vorne biegst du links ab und fährst dann bis ans Ende. Es gibt nur einen Parkplatz für ihre Wohnung. Sie hielt ihn immer für die Kunden frei.«
    Er bog vom Speedway in eine kurze Zufahrtsstraße, an die auf beiden Seiten kleine Apartments grenzten. Sie waren angelegt wie vier- bis sechsspännige Reihenhäuser mit schmalen Durchgängen dazwischen. Alles sehr beengt, genau die Art von Anlage, wo ein bellender Hund alle verrückt machen konnte.
    Als er zum letzten Gebäude kam, sagte Robin: »Da steht schon jemand drauf.«
    Sie zeigte auf ein Auto, das an der Treppe zu einer Wohnungstür geparkt war.
    »Das da oben ist die Wohnung.«
    »Ist das ihr Wagen?«
    »Nein, sie hatte einen Lexus.«
    Richtig. Ihm fiel ein, was Wainwright gesagt hatte. Das Auto auf dem Parkplatz war ein Volvo-Kombi. Pierce stieß zurück und quetschte sich mit seinem BMW zwischen zwei Reihen Mülltonnen. Parken war dort zwar nicht erlaubt, aber die anderen Autos kamen noch vorbei, und er rechnete nicht damit, dass er lange bleiben würde.
    »Du musst rüberrutschen und auf dieser Seite aussteigen.«
    »Toll. Danke.«
    Pierce hielt Robin die Tür auf, als sie über die Sitze rutschte. Sobald sie ausgestiegen war, ging sie in Richtung Speedway los.
    »Halt«, sagte Pierce. »Hier lang.«
    »Nein, ich bin mit dir fertig. Ich gehe jetzt zum Speedway und nehme mir ein Taxi.«
    Darüber hätte sich streiten lassen, aber Pierce beschloss, sie gehen zu lassen.
    »Jedenfalls danke für deine Hilfe. Wenn ich sie finde, sage ich dir Bescheid.«
    »Wen? Lilly oder deine Schwester?«
    Das ließ ihn stutzen. Einsicht kommt von denen, von denen man sie am wenigsten erwartet.
    »Glaubst du, du kommst klar?«, rief er ihr nach.
    Plötzlich blieb sie stehen und kam wieder auf ihn zu. In ihren Augen flammte wieder Wut auf.
    »Tu bloß nicht so, als würde dir was an mir liegen, ja? Dieses blöde Getue ist widerlicher als die Typen, die in mein Gesicht abspritzen wollen. Die sind nämlich wenigstens ehrlich.«
    Sie drehte sich um und ging wieder in die andere Richtung. Pierce schaute ihr eine Weile nach, um zu sehen, ob sie sich

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