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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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sich Jacks Magen zusammen. Dann merkte er, dass er dicht bei der Staffelei mit der darauf ausgebreiteten Zeitung stand. Und mit dem Revolver auf der Ablage. Er schnappte sich die Waffe, ohne zu überlegen, und warf sie Davey zu. Gleichzeitig rief er seinen Namen. Davey fuhr herum und fing den Revolver mit einer flüssigen Be wegung auf, spannte den Hahn und legte auf den Kopf des Zimmermanns an.
    »Schätze, wir gehen dann mal«, sagte Davey; sein typisches Grinsen kehrte triumphierend zurück.
    Titus lächelte ebenfalls. »Er ist nicht geladen.«
    Davey warf einen Blick auf den Revolver. »Ich hatte auch nicht vor, ihn abzufeuern.«
    Der Zimmermann machte ein verdutztes Gesicht, und Davey versetzte ihm einen kräftigen Stoß. Titus fiel gegen ein großes Bild, durchbrach die bemalte Leinwand und klemmte im Bilderrahmen fest. Davey zog ihm das Taschentuch aus der Brusttasche und stopfte es ihm in den protestierenden Mund.
    »Ein Vergnügen, mit Ihnen Geschäfte zu machen«, sagte Davey. Er zog die Tür auf und sah Jack an. »Komm schon!«
    Jack blieb stehen, wo er war. »Zuerst kriege ich deine Schuhe!«
    »Was?«
    Jack zeigte auf seine strumpfsockigen Füße.
    »Dafür haben wir keine Zeit.« Davey nickte zu Titus hinüber, der sich aus dem Rahmen zu befreien versuchte.
    Jack lachte wütend auf. »Dann mach halt schnell.«
    Davey riss sich murrend die Schuhe herunter und warf sie ihm zu. »Nun zufrieden?«
    Jack schlüpfte rasch in die Schuhe. Sie waren ihm zu groß, aber das spielte keine Rolle – Hauptsache, er hatte gewonnen.
    Draußen ließ der graue Aschehimmel schon die Morgensonne erahnen, deren Herbstlicht noch hinter den zerstörten Gebäuden verborgen war.
    Jack und Davey rannten durch die trümmerübersäten Stra ßen, weit weg vom Lärm des Markts von Billingsgate und vom Zimmermann.
    »Können wir jetzt langsamer machen?«, fragte Jack atemlos.
    »Nein«, sagte Davey.
    »Und was jetzt? Wohin gehen wir?«
    Davey antwortete nicht. Seine fehlenden Schuhe schienen ihn nicht zu behindern, und Jack hatte Mühe mitzuhalten, während Davey über heruntergefallene Dachziegel, Mauersteine und Holzbalken hinwegsprang.
    Sie erreichten den U-Bahnhof Monument. Davey sprang die Stufen hinab in die staubige Schalterhalle mit ihrem kräftigen Geruch nach neuem Holz und Pfeifentabak. Es sah hier ganz anders aus als auf den U-Bahnhöfen, die Jack kannte. Nirgendwo waren automatische Schranken, die einen nur mit Ticket durchließen. Stattdessen standen zwischen ihnen und dem Bahnsteig nur eine Reihe Fahrkartenautomaten und ein lustloser Kontrolleur. Aus den Augenwinkeln nahm Jack Kriegsplakate wahr: »Was tun bei Luftangriffen«, »Zum Luftschutzbunker hier entlang«, »Ist Ihre Fahrt wirklich notwendig?« Die beiden Jungen schlüpften an dem Kontrolleur vorbei, der kurz so tat, als würde er sich ärgern, und rannten hinunter zu den Bahnsteigen. Jack tat die Brust weh, glühende Nadeln stachen in seine Lunge, aber irgendwie schaffte er es, dicht hinter Davey zu bleiben.
    Sie rannten eine der hölzernen Rolltreppen hinunter und drängten sich an müden Arbeitern vorbei, ohne auf deren Murren zu achten. Unten, den Bahnsteig schon in Sicht weite, verlangsamte Davey endlich zu einem flotten Spazierschritt.
    Der schmale Bahnsteig war voller Menschen. Manche waren auf dem Weg zur Arbeit: Putzleute, Hilfsarbeiter, La denbesitzer, die alle an einem einigermaßen geregelten Tages ablauf festhalten wollten. Andere sahen so aus, als wären sie schon die ganze Nacht hier gewesen und hätten Schutz vor den Bomben gesucht, die draußen gefallen waren. Familien kuschelten sich tröstend aneinander, manche noch mit Kleinkindern. Ein junges Paar alberte herum, woran sich seine Nachbarn störten. Hier und da standen abgesondert alte Män ner mit roten Gesichtern, deren Atem nach Whisky roch. Jack folgte Davey mitten durch das Gewirr.
    »Was sind das für Dinger?«, fragte er und zeigte auf die kleinen Kisten, die sich die meisten Fahrgäste über die Schulter gehängt hatten.
    »Gasmasken. Für den Fall, dass die Bomben kommen. Das ist die siebte Nacht in Folge«, sagte Davey mit ernstem Gesicht.
    »Die Deutschen?«
    Davey nickte und zog eine Zigarettenschachtel hervor. Er hielt sie Jack hin.
    »Nein danke.«
    »Es ist, als wären alle verrückt geworden. Die rennen förm lich zur Rekrutierung. Ich renne lieber in die andere Rich tung.« Davey zündete mit zittriger Hand die Zigarette an und warf das Streichholz weg. Er nahm einen langen,

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