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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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schälte sich die Gestalt eines hochgewachsenen Mannes. Er war Anfang vierzig, athletisch, stark; sein bronzenes Gesicht wirkte wie gemeißelt, einge rahmt von dichten, silberweißen Haaren. Seine atemberaubende schwarze Rüstung passte wie angegossen, ihre Oberfläche bestand aus Gagatscheiben, um die Bänder aus Gold, Silber und Blei gelegt waren, in einem verwirrend verschlungenen Muster. Ein langer roter Umhang floss von seinen Schultern zum Boden hinab. An seiner Hüfte hing ein Schwert, das den Waffen der einstmalstoten Paladine ähnelte. Erst jetzt bemerkte Jack das schmale Wesen, das ihm wie ein Schatten folgte, fast unsichtbar in der Dunkelheit, in ein Gewand aus Stoff und Federn gehüllt, aus dessen schwarzem Kapuzenloch schmutziger Rauch kam.
    Der Mann kam näher, und seine Adleraugen glitzerten und funkelten wie bodenlose Seen aus Öl. Er sah Jack unverwandt an, der sich nackt vorkam unter dem Blick des Fremden, als hätte er ihm gerade bis in seine Seele geschaut. Es überlief ihn eiskalt, und er sah gebannt zu, wie dieser Gott in Menschengestalt die Kammer durchquerte. Der Mann beachtete Davey überhaupt nicht, sein angsteinflößender Blick konzen trierte sich voll auf Jack.
    »Wer … wer sind Sie?«, fragte Jack, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    Der Mann lächelte.
    »Ach, aber du weißt doch längst, wie ich heiße«, sagte Rouland.

9 Im Carlton
    9
    Im Carlton
    J ack schreckte aus dem Schlaf hoch.
    Er lag in einem großen runden Bett. Feinste Seidenbettwä sche umschmeichelte seine Haut, und sein schmerzender Kopf ruhte auf einem Kissenberg. Seine Kleidung aus dem 21. Jahr hundert war verschwunden und durch saubere Hosen, Hosen träger und ein strahlend weißes Hemd ersetzt worden. Letzten Sommer hatte sein Vater darauf bestanden, dass er sich für eine Hochzeit schick anzog, und er hatte sich in dem zu warmen Aufzug den ganzen Tag lang nicht wohlgefühlt. Seine Hosen hatten gekratzt, und er war froh gewesen, als er das ganze Zeug endlich in seinem Zimmer auf einen Haufen hatte werfen können. Aber diese Sachen hier waren irgendwie anders; sie fühlten sich gut an.
    Er setzte sich langsam auf und fragte sich, ob das hier im mer noch das Jahr 1940 war. Er war allein und kam sich komisch vor ohne Daveys zugleich beruhigende und nerv tötende Gegenwart. Das herrschaftliche Zimmer voller Prunk und Luxus machte nicht den Eindruck, als läge es unter der Erde. Es wurde von dem riesigen Bett beherrscht, bot aber noch Platz genug für einen großen Kleiderschrank aus Holz und einen passenden Frisiertisch, ohne auch nur ansatzweise einen vollgestellten Eindruck zu machen. An der einen Wand stand ein hellrotes Sofa und in der Ecke eine wunderschöne antike Lampe. Links vom Bett war eine Tür. Rechts führte hinter durchsichtigen Vorhängen, die in einer kühlen Brise wehten, eine Glastür auf einen großen Balkon. Die Morgensonne schien durch die offenen Türflügel und wurde von der einen polierten Fläche zur anderen gespiegelt, bis das ganze Zimmer zu glühen schien. Einen Moment lang überlegte Jack, ob er vielleicht tot war.
    Er hängte seine Füße über die Bettseite und spürte glatten, faserigen Pelz zwischen den Zehen. Dort lag ein Tigerfell, noch mit dem mächtigen Kopf und den Tatzen daran. Neben dem Untier standen ein Paar Schuhe mit Socken; beides passte perfekt. Jack stand auf, zunächst noch ein wenig unsicher auf den Beinen, und probierte die Tür. Sie war abgeschlossen.
    Er ging zum Balkon und fragte sich, wie er hierhergekommen war. Zuletzt hatte er doch in einer Kammer tief unter den Straßen Londons gestanden. Die Tunnel hatten sich ab geriegelt und ihnen die Flucht verwehrt. Und dann hatte Rouland nur wenige Zentimeter vor ihm gestanden, gelassen und gottgleich.
    An das, was danach passiert war, erinnerte er sich nur mit Mühe. Rouland hatte ihn wohl berührt oder vielleicht auch nur angehaucht. Der Auslöser war egal; jedenfalls war Jack in einen Schlaf gefallen, wie er ihn noch nie erlebt hatte.
    Er trat in einen frischen Septembermorgen hinaus. Unter ihm breitete sich London aus, die herbstliche Pracht des Hyde Parks mit dem sanften Bogen des Sees hinter den Bäumen. Die Stadt war verwundet und angeschlagen nach den Luftangriffen der vorangegangenen Nacht. Die Gerippe ausgebrannter Gebäude ragten schroff in den Himmel und ließen Fäden aus Asche und Rauch aufsteigen, die in der strahlenden Sonne befremdend schön aussahen.
    Das volltönende Läuten des Big Ben

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