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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niel Bushnell
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er ab.
    Von seiner früheren Begegnung mit Jack wollte er nichts sagen und zog sich in den geschützten Raum seines Bettes zurück, in dem er nicht mit unerwünschten Fragen gelöchert werden konnte.
    Als endlich der Zwölfte kam, bebte Jack schier vor Erwar tung. Der Tag war bitterkalt, und er verbrachte ihn damit, die Wege auf dem Grundstück vom Eis zu befreien. Am Nachmittag wartete er mit Spannung darauf, dass Davey und er auf dem Friedhof ankamen. Und tatsächlich tauchten da plötzlich zwei Gestalten auf. Er hatte einen Blitz erwartet oder einen Donnerschlag und war einigermaßen enttäuscht von der leisen Ankunft. Hinter einer Mauer versteckt sah er zu, wie Davey und er sich aufrappelten und den Friedhof verließen.
    »Bist du das?«
    Jack zuckte beim Klang der Stimme neben seiner Schulter zusammen. Sexton lehnte sich auf seinen Spaten und betrach tete die Neuankömmlinge mit leichtem Interesse.
    »Ja«, sagte Jack. »Und mein Freund Davey.«
    Sexton nickte. »Den hast du früher schon mal erwähnt.«
    »Und wie lange her ist ›früher‹?«
    Sexton wandte sich ab und sah hinauf in den fallenden Schnee. »Wird kälter.« Er ging davon.
    Am Abend, nachdem er ein weiteres Mal ohne Erfolg nach gehakt hatte, döste Jack in seinem Sessel am Kamin, als ihn Stimmen weckten, die von der Tür her kamen. Sexton stritt sich mit einem Besucher, der nicht zu sehen war.
    »Ich weiß von nichts«, fauchte Sexton scharf.
    »Zwei Springer«, sagte der andere, »hier, irgendwo in der Nähe. Sie müssen doch etwas wissen! Sie müssen es doch gespürt haben.« Die Stimme gehörte einem Mann und floss wie Seide über eine scharfe Messerklinge. Jack wusste sofort, wer das war.
    Er zog sich leise die Schuhe an und lauschte angestrengt. Er musste hier weg, bevor er Sexton noch weiter in Gefahr brachte.
    »Ist fünfzig Jahre her, dass ich selber gereist bin«, antwortete Sexton. »Ich weiß nichts.«
    »Nichts als Lügen«, flüsterte Rouland.
    »Die reine Wahrheit«, sagte Sexton.
    »Und wieder gelogen.«
    Plötzlich hörte er ein Geräusch wie das Knistern von Funken. Jack lugte in den Flur. Ein Lichtbogen glühte zwischen Roulands ausgestreckter Hand und Sextons Brust.
    »Bitte«, keuchte Sexton.
    »Du sollst nicht neben den Knochen deiner Frau sicher in der Erde ruhen«, rief Rouland über den anwachsenden Lärm. »Sondern brennen!«
    Sexton stürzte zu Boden und wand sich in Krämpfen. In der offenen Tür war immer noch Roulands ausgestreckte Hand zu sehen. Alles schien erstarrt, weder Rouland noch Jack bewegten sich. Nur das, was mit Sexton passierte, verriet, dass die Zeit weiterlief. Seine Arme und Beine zuckten in schneller Folge, bis sie schließlich langsamer wurden und zu Boden sanken.
    Rouland wartete, bis Sexton sich nicht mehr rührte, dann griff er nach der Türklinke und schloss leise von draußen die Tür. Jack sah seinen Schatten am Fenster vorbeigehen, dann entließ ihn das Grauen aus seinem Griff, und er eilte zu Sexton. Das Leben war bereits aus dem weißen Gesicht des Alten gewichen. Sein Körper strahlte eine gewaltige Hitze aus, als würde in ihm ein Feuer toben. Dann zerfiel der Tote zu grauer Asche, und jeder Beweis, dass es einmal einen Sexton Clay gegeben hatte, war verschwunden.
    Jack hatte so etwas noch nie gesehen. Ihm war übel, er konnte nicht mehr denken und lief kopflos aus Sextons Haus, hinein in die schmalen, bedrohlichen Straßen der Umgebung. Er versteckte sich in den Schatten anonymer Hauseingänge, voller Angst, dass Rouland jeden Moment zu Sextons Haus zurückkehrte.
    Er war müde und kaputt. Er hatte in dieser Woche ein anderes Leben geführt, ein Leben, das ihn älter gemacht und mit Zorn erfüllt hatte. Warum hatte Sexton sterben müssen? Er sah keinen Sinn darin. Und er würde auch nie einen darin sehen. Schuldgefühle lagen ihm schwer im Magen. So viele Leute, die er kannte, waren gestorben. Lag es an ihm? War es sein Fehler?
    Als es auf Mitternacht zuging, kehrte er zu dem kleinen Friedhof zurück und suchte sich dicht bei der Stelle, wo Davey und er bald ankommen würden, ein Versteck.
    Eine Stunde war vergangen, seit die Glocken Mitternacht geläutet hatten. Draußen auf der Straße kam Unruhe auf, als sich die Nachricht von Timothys schrecklichem Unfall verbreitete. Und dann endlich sah er, wie zwei Jungen angelaufen kamen. Alles ging ganz schnell. Er sah sich selbst nach einem Tränentunnel suchen und den Schutzmann näher kommen. Rouland erschien wieder zusammen mit Jane McBride.

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