Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
ins Jahr 1813 gebracht, aber zehn Tage früher. Ich habe die letzte Woche als Totengräber gearbeitet und auf dich ge wartet.«
»Du hättest mich dalassen sollen«, sagte Davey leise.
»Das kam überhaupt nicht infrage.« Jack hatte keine Ahnung, was Davey für ein Problem damit hatte.
»Ich bin kein Springer, Jack.« Davey seufzte. »Ich war nie wirklich einer. Ich glaube nicht, dass ich mit dir gereist bin, ich glaube, du hast mich getragen.« Daveys Miene war ernst, eine Mischung aus Traurigkeit und Ehrfurcht. »Jack, du hast etwas getan, was noch kein lebender Springer je geschafft hat, und du begreifst es nicht mal. Du hast mich zurück ins Jahr 1940 mitgenommen, einfach so, wie dieses Buch.« Davey sah Jack in die Augen. »Ich kenne keinen anderen Springer wie dich. Du bist in Wirklichkeit viel mehr als ein Springer.« Er wurde lauter vor Aufregung. »Aus dir wird noch ein Zeitenschmied!«
»Ein Zeitenschmied?«
»Vielleicht, ja. Ich hab noch nie jemanden gekannt, der solche Sachen kann wie du. Es hat schon seit Jahren keinen Zeitenschmied mehr gegeben.«
Jack scharrte mit dem Absatz auf dem Weg und war in Gedanken weit weg. »Ich kann keiner sein, ich bin ja nicht mal ein Springer. Ich glaube, ich hab einfach Glück gehabt.«
Davey wich Jacks Blick aus und fröstelte. »Hier schneit’s vielleicht nicht, aber kalt ist mir trotzdem.«
Jack schlug sich das seltsame Gespräch aus dem Kopf. Er konnte kein Zeitenschmied sein; er war trotz allem, was passierte, einfach nur ein Junge.
Als Jack sich der Eingangstür von Montys Stadtvilla näherte, fiel ihm auf, dass sie nur angelehnt war. Dahinter war ein Stück des dunklen Inneren zu erahnen. Jack verlangsamte seinen Schritt, als er die alten Stufen hinaufstieg, Davey an seiner Seite. Wo einmal das Schloss gewesen war, klaffte jetzt zersplittertes Holz.
»Davey«, flüsterte Jack und hielt warnend die Hand hoch. Sein Freund sah es auch. Er zog Jack am Arm und ging zu der offenen Tür.
Die bedrohliche Stille fiel in sich zusammen, als Davey die quietschende Tür aufstieß. Jacks Nackenhaare stellten sich auf, während er seinem Freund zum Lesezimmer folgte. Die Dunkelheit ließ keinerlei Einzelheiten erkennen, sondern nur vage Schatten, die seine Fantasie zu Bildern verdichtete.
Davey blieb abrupt stehen. Einen Moment lang bewegte er sich nicht und blockierte Jacks Sicht, dann ging er weiter, und Jack sah den leblosen Körper von Montgomery Falconer bäuchlings auf dem Boden liegen. Überall waren Anzeichen eines Kampfes zu sehen, nur hatte Jack sie bis jetzt nicht bemerkt: Montys Lesesessel lag auf der Seite, Bücher lagen verstreut herum, und ein glitzernder Blutspritzer verunstaltete die teure Tapete über dem nachlassenden Kaminfeuer.
»Lebt er?«, fragte Jack kaum hörbar.
Davey kniete sich hin, drehte den schlaffen Illuminator auf den Rücken und barg seinen Kopf im Schoss. »Er atmet kaum.«
Montys Augen öffneten sich, ganz groß zunächst, und dann fielen sie zu schweren Schlitzen zu, als er damit kämpfte, weiterhin etwas sehen zu können.
»Keine Sorge, wir holen einen Arzt«, sagte Davey. »Sie kommen schon wieder in Ordnung.«
»Rouland«, sagte Monty schwach. »Er hat dich gesucht.« Seine trüben Augen starrten Jack an.
»Wo ist Eloise?«, fragte Jack.
»Fort.« Monty hustete. »Rouland muss sie jetzt wohl haben. Hast du das Buch?«
Jack zog es aus der Hosentasche und zeigte es Monty. Der alte Herr lächelte kläglich, dann musste er husten und verzog schmerzerfüllt das Gesicht.
»Es ist die größte Waffe, die du gegen Rouland ins Feld führen kannst. Du und das Buch seid untrennbar miteinander verbunden. Genau so wie du und Rouland untrennbar miteinander verbunden seid. Es wird dir die nötigen Antwor ten liefern, junger Jack, wenn du sie am meisten brauchst. Ich hätte es gern selbst studiert. Jetzt nützt es mir natürlich nichts mehr. Rouland würde es mir am Ende wegnehmen, und ich bin kein wehrhafter Mensch.« Montys Blick schien voller Selbstmitleid zu sein. Er bog den Rücken durch, als ihn ein gnadenloser Schmerzanfall traf. »Ich habe gedacht, dass ich die Stärke hätte, mich ihm zu widersetzen. Aber du gibst einen exzellenten Lehrer ab, junger Jack. Dein Beispiel hat mir Stoff zum Nachdenken gegeben. Du hast mich beschämt.« Monty drückte etwas an seine Brust, ein gerahmtes Foto. Darauf war ein jüngerer und glücklicherer Monty mit einer dunkelhaarigen Frau zu sehen. »Meine Frau, Clara. Sie war stolz wie du. Das
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