Jack Reacher 01: Größenwahn
gekümmert. Aber jetzt geht das nicht mehr. Er kann sich nicht länger frei nehmen. Und er fühlt sich nicht ganz wohl, Sie wissen schon, Charlie ist eine Frau, und dann das kleine Mädchen und so. Das Kind hat Angst vor ihm.«
Er blickte zu Roscoe hinüber. Sie ahnte, worauf er hinauswollte.
»Er will mich dort haben?« fragte sie.
»Nur für vierundzwanzig Stunden«, sagte Finlay. »So lautet seine Bitte. Werden Sie das für ihn tun?«
Roscoe zuckte die Schultern. Lächelte.
»Natürlich«, sagte sie. »Kein Problem. Ich kann einen Tag opfern. Solange Sie versprechen, mich zurückzuholen, wenn der Spaß beginnt, okay?«
»Das geht ganz automatisch«, sagte Finlay. »Der Spaß kann erst beginnen, wenn wir alle Einzelheiten haben, und sobald wir die haben, kann Picard offiziell eingreifen und seine eigenen Leute zum Versteck schicken. Dann kommen Sie zurück.«
»Okay«, sagte Roscoe. »Wann muß ich los?«
»Sofort«, erwiderte Finlay. »Er wird in einer Minute dasein.«
Sie grinste ihn an.
»Also waren Sie überzeugt, daß ich einverstanden sein würde?«
Er grinste zurück.
»Wie ich Reacher schon gesagt habe, Sie sind die beste, die wir haben.«
Sie und ich gingen zurück durch das Mannschaftsbüro und durch die Glastüren ins Freie. Roscoe nahm ihre Tasche aus dem Chevy und setzte sie am Bordstein ab.
»Ich schätze, ich seh dich dann morgen.«
»Ist alles in Ordnung mit dir?« fragte ich sie.
»Sicher. Mir wird es gutgehen. Sicherer als in einem Unterschlupf des FBI kann ich kaum sein, oder? Aber ich werde dich vermissen, Reacher. Ich hatte nicht gedacht, so schnell von dir getrennt zu werden.«
Ich drückte ihre Hand. Sie küßte mich auf die Wange. Reckte sich zu einem flüchtigen Kuß zu mir hoch. Finlay stieß die Tür zum Revier auf. Ich hörte das saugende Geräusch der Gummiabdichtung. Er steckte seinen Kopf heraus und rief Roscoe.
»Sie bringen Picard am besten auf den neuesten Stand, okay?«
Roscoe nickte ihm zu. Dann warteten wir zusammen in der Sonne. Lange mußten wir das nicht tun. Picards blaue Limousine fuhr innerhalb von wenigen Minuten quietschend auf den Parkplatz. Kam federnd neben uns zum Stehen. Der große Mann streckte sich aus seinem Sitz und stand vor uns. Verdeckte die Sonne.
»Ich weiß das zu schätzen, Roscoe«, sagte er zu ihr. »Sie sind mir wirklich eine große Hilfe.«
»Kein Problem. Sie sind uns eine Hilfe, nicht wahr? Wo ist dieses Haus, wo ich hinmuß?«
Picard grinste gequält. Nickte zu mir herüber.
»Das darf ich nicht sagen«, erklärte er ihr. »Nicht vor Außenstehenden, klar? Ich verstoße ohnehin schon gegen die Regeln. Und ich muß Sie bitten, es ihm hinterher nicht zu erzählen. Und, Reacher, quetschen Sie sie oder Charlie deswegen nicht aus, okay?«
»Okay. Ich muß Roscoe nicht ausquetschen. Sie wird es mir auch so sagen.«
Picard lachte.
Er nickte mir zum Abschied flüchtig zu und nahm Roscoes Tasche. Warf sie auf seinen Rücksitz. Dann stiegen die beiden in die blaue Limousine und fuhren los. Steuerten aus dem Parkplatz hinaus in Richtung Norden. Ich winkte hinter ihnen her. Dann geriet der Wagen außer Sichtweite.
KAPITEL 23
Einzelheiten, Beweise sammeln. Beobachten. Das ist die Basis für alles andere. Man muß sich hinsetzen und lange und sorgfältig genug beobachten, um alles Nötige herauszubekommen. Während Roscoe Kaffee für Charlie Hubble kochte und Finlay in seinem Rosenholzbüro saß, würde ich den Betrieb am Lagerhaus beobachten. Lange und sorgfältig genug, bis ich einen Eindruck bekam, wie sie es genau machten. Das konnte mich volle vierundzwanzig Stunden kosten. Möglicherweise war Roscoe schon zurück, bevor ich fertig war.
Ich stieg in den Bentley und fuhr die vierzehn Meilen zum Zubringer hinauf. Verlangsamte, als ich an den Lagerhäusern vorbeikam. Ich mußte einen Aussichtspunkt auskundschaften. Die Auffahrt nach Norden tauchte unter der Abfahrt nach Süden hindurch. Das ergab eine niedrige Überführung. Nicht sehr hohe, breite Betonpfähle hoben die Straße in die Höhe. Ich hatte den Eindruck, daß es das beste war, mich hinter einem von diesen Pfeilern zu verkriechen. Ich würde durch dessen Schattenseite versteckt sein und hätte durch die leicht erhöhte Lage einen guten Überblick auf das gesamte Lagerhausgelände. Das war die richtige Stelle.
Ich beschleunigte, fuhr den Bentley die Auffahrt hinauf und steuerte nordwärts nach Atlanta. Ich hatte eine vage Vorstellung von der Stadtanlage. Ich suchte nach
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