Jack Reacher 01: Größenwahn
auf der ganzen Welt.«
Ich ließ mir das alles durch den Kopf gehen. Presse, Platten, Druckfarbe und Papier.
»Also ist der Papierlieferant der Schlüssel zu allem?« fragte ich.
Kelstein nickte bedauernd.
»So lautete unsere Schlußfolgerung«, sagte er. »Wir waren beide der Meinung, daß das Papier das Entscheidende war, und wir hatten beide keine Ahnung, woher sie es bekamen. Deshalb kann ich Ihnen wirklich nicht helfen. Ich konnte Joe nicht helfen, und ich kann Ihnen nicht helfen. Es tut mir schrecklich leid.«
Ich sah ihn an.
»Sie haben ein ganzes Lagerhaus voll mit irgendwas«, sagte ich. »Könnte es das Papier sein?«
Er schnaubte spöttisch. Ließ seinen Kopf zu mir herumschnellen.
»Haben Sie nicht zugehört?« sagte er. »Währungspapier ist nicht zu kaufen. Einfach nicht erhältlich. Sie könnten noch nicht mal vierzig Einzelstücke davon bekommen, geschweige denn vierzig Millionen Einzelstücke. Das Ganze ist ein völliges Rätsel. Joe, Walter und ich zerbrachen uns ein Jahr den Kopf darüber und kamen zu keinem Ergebnis.«
»Ich glaube, Bartholomew ist zu einem Ergebnis gekommen«, sagte ich.
Kelstein nickte traurig. Er hievte sich langsam aus seinem Sessel und trat an seinen Schreibtisch. Drückte auf den Wiedergabeknopf auf seinem Anrufbeantworter. Der Raum war erfüllt von einem elektronischen Piepsen, danach vom Klang einer Männerstimme.
»Kelstein?« fragte die Stimme. »Hier ist Bartholomew. Es ist Donnerstag nacht. Ich rufe Sie morgen früh an und verrate Ihnen die Antwort. Ich wußte, daß ich Sie schlagen würde. Gute Nacht, alter Mann.«
Die Stimme klang aufgeregt. Kelstein stand da und starrte ins Leere, als würde Bartholomews Geist irgendwo in der Luft schweben. Er wirkte betroffen. Ich hätte nicht sagen können, ob es daran lag, daß sein alter Kollege tot war oder daß sein alter Kollege ihn mit der Antwort geschlagen hatte.
»Armer Walter«, sagte er. »Ich kannte ihn seit sechsundfünfzig Jahren.«
Ich blieb eine Weile still sitzen. Dann stand auch ich auf.
»Ich werde es herausfinden«, sagte ich.
Kelstein legte den Kopf zur Seite und sah mich scharf an.
»Glauben Sie das wirklich?« fragte er. »Wenn Joe dazu nicht in der Lage war?«
Ich blickte den alten Mann achselzuckend an.
»Vielleicht hatte Joe es herausgefunden. Wir wissen nicht, was er schon wußte, als sie ihn erwischten. Jedenfalls werde ich jetzt sofort nach Georgia zurückfliegen. Mich auf die Suche machen.«
Kelstein nickte und seufzte. Er sah angespannt aus.
»Viel Glück, Mr. Reacher«, sagte er. »Ich hoffe, daß Sie die Arbeit Ihres Bruders beenden können. Vielleicht schaffen Sie es. Er hat oft von Ihnen gesprochen. Er mochte Sie, wissen Sie?«
»Er hat von mir gesprochen?«
»Oft«, sagte der alte Mann noch einmal. »Er hatte Sie sehr gern. Es tat ihm leid, daß Sie beide durch Ihre Arbeit sich fast aus den Augen verloren hatten.«
Einen Moment lang fehlten mir die Worte. Ich fühlte mich unerträglich schuldig. Jahre waren vergangen, ohne daß ich an ihn gedacht hatte. Und er sollte an mich gedacht haben?
»Er war der Ältere, aber Sie haben auf ihn aufgepaßt«, sagte er. »So hat Joe es mir erzählt. Er sagte, daß Sie ziemlich wild seien. Ein harter Bursche. Ich schätze, wenn Joe einen Aufpasser für die Kliners gebraucht hätte, hätte er Sie vorgeschlagen.«
Ich nickte.
»Ich muß los«, sagte ich.
Ich schüttelte seine zerbrechliche Hand und lieferte ihn bei den Cops im Sicherheitsbüro ab.
Ich versuchte, mir klar darüber zu werden, woher Kliner sein perfektes Papier bekam, und ich versuchte, mir auszurechnen, ob ich den Sechs-Uhr-Flug zurück nach Atlanta noch bekam, wenn ich mich beeilte, und ich versuchte zu ignorieren, was Kelstein über Joes liebevolle Worte über mich gesagt hatte. Die Straßen waren verstopft, und ich dachte hartnäckig über all dies nach und suchte nach einem freien Taxi, daher bemerkte ich nicht, daß zwei Latinos langsam auf mich zugeschlendert kamen. Aber ich bemerkte die Waffe, die der vordere Mann auf mich richtete. Es war eine kleine Automatik in einer schmalen Hand, welche unter einem dieser khakifarbenen Trenchcoats verborgen war. Ein ganz gewöhnlicher Mantel, wie ihn die Stadtbewohner im September über dem Arm tragen.
Er zeigte mir die Waffe, und sein Partner wies auf einen Wagen, der in zwanzig Meter Entfernung am Straßenrand wartete. Der Wagen glitt vorwärts, und der Partner hielt sich bereit, die Tür wie einer dieser
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