Jack Reacher 01: Größenwahn
und ein neues einführen.
»Das Problem liegt im Ausland«, sagte er. »Außerhalb der Vereinigten Staaten. Die Lage ist dort eine völlig andere. Wußten Sie, daß es außerhalb der Staaten zweimal soviel Dollars gibt wie innerhalb?«
Ich nickte. Ich faßte zusammen, was Molly mir über die Besitzlage im Ausland gesagt hatte. Über Glauben und Vertrauen. Die Furcht, daß der Dollar plötzlich nicht mehr begehrt sein könnte. Kelstein nickte in einer Tour, als wäre ich sein Student und als gefielen ihm meine Thesen.
»Genauso ist es. Es geht hier mehr um Politik als um Verbrechen. Am Ende ist es die vornehmliche Pflicht einer Regierung, den Wert ihrer Zahlungsmittel zu verteidigen. Wir haben zweihundertsechzig Milliarden Dollar im Ausland. Der Dollar ist die inoffizielle Währung von einem Dutzend Nationen. Im neuen Rußland zum Beispiel gibt es mehr Dollars als Rubel. Washington hat praktisch ein riesiges Auslandsdarlehen aufgenommen. Wäre dies auf anderem Wege geschehen, müßten wir allein an Zinsen sechsundzwanzig Milliarden Dollar pro Jahr zahlen. Aber auf diese Weise kostet es uns nur das, was wir dafür ausgeben, die Bilder von toten Politikern auf kleine Stücke Papier zu drucken. Das ist das ganze Geheimnis, Mr. Reacher. Zahlungsmittel für Ausländer zu drucken ist das beste Geschäft, das eine Regierung machen kann. Also war Joes Arbeit für dieses Land in Wirklichkeit sechsundzwanzig Milliarden Dollar im Jahr wert. Und er verfolgte sie mit einer diesen Dimensionen angemessenen Energie.«
»Aber was war dann das Problem?« fragte ich. »War es ein geographisches? «
»Zum Teil schon. Es gibt hauptsächlich zwei Gegenden, in denen gefälscht wird. Erstens: der Nahe Osten. Joe glaubte, in einer Fabrik in der Senke von Al Bika würden falsche Hunderter gemacht, die praktisch perfekt waren. Waren Sie jemals da?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich war eine Weile in Beirut stationiert gewesen. Ich hatte ein paar Leute gekannt, die aus dem einen oder anderen Grund nach Al Bika gegangen waren. Nicht sehr viele waren zurückgekommen.
»Der syrisch kontrollierte Libanon«, sagte Kelstein. »Joe nannte ihn die Badlands. Dort wird alles gemacht. Es gibt Trainingscamps für Terroristen aus aller Welt, Labore zur Drogenherstellung und so weiter. Was man auch will, sie haben es. Auch eine ziemlich gute Nachbildung unserer staatseigenen Druck- und Prägeanstalt.«
Ich dachte darüber nach. Dachte an meinen Aufenthalt dort.
»Und von wem wird die geschützt?« fragte ich ihn.
Kelstein lächelte mich wieder an. Nickte.
»Eine scharfsinnige Frage. Sie haben instinktiv erfaßt, daß eine Operation von diesem Ausmaß so sichtbar und so komplex ist, daß sie von irgend jemandem geschützt werden muß. Joe glaubte, daß sie sich unter dem Schutz oder vielleicht sogar im Besitz der syrischen Regierung befand. Daher waren seine Möglichkeiten gering. Seiner Auffassung nach konnte man die Angelegenheit nur auf diplomatischem Wege lösen. Sollte das fehlschlagen, hätte er für Luftangriffe auf diese Fabrik votiert. Vielleicht erleben wir das ja eines Tages noch.«
»Und die zweite Gegend?« fragte ich.
Er wies mit seinem Finger auf das schmutzige Bürofenster. Zeigte nach Süden, die Amsterdam Avenue hinunter.
»Südamerika«, sagte er. »Die zweite Quelle ist in Venezuela. Joe hat das herausgefunden. Daran arbeitete er. Absolut hervorragende falsche Hundert-Dollar-Noten kommen aus Venezuela. Aber das Unternehmen wird privat betrieben. Keine Spur einer Regierungsbeteiligung.«
Ich nickte.
»So weit sind wir auch schon gekommen«, sagte ich. »Von einem Kerl namens Kliner, mit Stützpunkt in Georgia, wo Joe umgebracht wurde.«
»Genauso ist es. Der einfallsreiche Mr. Kliner. Es ist sein Unternehmen. Er leitet das Ganze. Wir wissen das mit absoluter Sicherheit. Wie geht es ihm?«
»Er schiebt Panik. Er bringt Leute um.«
Kelstein nickte traurig.
»Wir dachten uns schon, daß er in Panik geraten könnte. Er besitzt eine hervorragende Organisation. Die beste, die wir je gesehen haben.«
»Die beste?« fragte ich.
Kelstein nickte begeistert.
»Hervorragend«, sagte er noch einmal. »Wieviel wissen Sie über Falschgeld?«
Ich sah ihn achselzuckend an.
»Mehr als letzte Woche«, antwortete ich. »Aber ich schätze, nicht genug.«
Kelstein nickte, verlagerte sein Gewicht und beugte sich im Sessel vor. Seine Augen leuchteten auf in seinem hageren Gesicht. Er war im Begriff, mit einem Vortrag über sein Lieblingsthema
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