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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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sagte sie. »Sie sind der erste in zweiundsechzig Jahren, der mich danach fragt.«
    Ich hielt meinen Atem an. Ihre Lippen flatterten, und ihre Hand scharrte in meiner Handfläche.
    »Er war blind. Aber er war flott. Kennen Sie das Wort? Flott? Das heißt: irgendwie übermütig. Übermütig mit einem frechen Lächeln ist flott. Blake war flott. Hatte eine Menge Mut und Energie. Ging schnell, redete schnell, war immer in Bewegung, auf seinem närrischen Gesicht lag immer ein Lächeln. Aber einmal kamen wir aus einer Bar in der Stadt, gingen über den Bürgersteig und lachten. Niemand war auf der Straße, außer zwei Weißen, die uns auf dem Bürgersteig entgegenkamen. Ein Mann und ein Junge. Ich sah sie kommen und verließ den Bürgersteig, wie es sich gehörte. Stand im Staub, um sie vorbeizulassen. Aber der arme Blake war blind. Und sah sie nicht. Lief einfach in den weißen Jungen hinein. Der weiße Junge war vielleicht zehn, zwölf Jahre alt. Wegen Blake flog er in den Staub. Der weiße Junge schlug sich den Kopf an einem Stein und fing unglaublich zu brüllen an. Der Daddy des weißen Jungen war dabei. Ich kannte ihn. Er war ein großer, wichtiger Mann in der Stadt. Sein Junge schrie, als wollte er platzen. Schrie seinem Daddy zu, den Nigger zu bestrafen. Also verlor sein Daddy die Beherrschung und schlug mit seinem Stock auf Blake ein. Der Stock hatte einen großen Silberknauf. Er schlug den armen Blake mit diesem Stock, bis sein Kopf aussah wie eine geplatzte Wassermelone. Schlug ihn mausetot. Nahm den Jungen und wandte sich zu mir. Schickte mich hinüber zur Pferdetränke, um die Haare und das Blut und das Gehirn vom armen Blake vom Stock zu waschen. Befahl mir, niemandem ein Wort zu sagen, sonst brächte er mich auch um. Also versteckte ich mich und wartete, bis jemand den armen Blake dort auf dem Bürgersteig fand. Dann kam ich aus meinem Versteck heraus und weinte zusammen mit den anderen. Sagte nie ein Wort zu einer Menschenseele, bis heute.«
    Große Tränen quollen ihr aus den Augen und liefen ihr langsam über die knochigen Wangen. Ich langte hinüber und wischte sie mit der Rückseite meines Fingers weg. Nahm auch ihre andere Hand in meine.
    »Wer war der Junge?« fragte ich sie.
    »Jemand, den ich seitdem immer wieder gesehen habe. Jemand, den ich seitdem fast jeden Tag hab' herumstolzieren und aufgeblasen lächeln sehen, so daß ich an meinen armen Blake denken mußte, der dort mit aufgeschlagenem Schädel lag.«
    »Wer war es?«
    »Es war ein Unfall. Jeder konnte das sehen. Der arme Blake war blind. Der Junge hätte nicht ein solches Theater machen müssen. Er war nicht richtig verletzt Er war alt genug, um es zu wissen. Es war seine Schuld, weil er so schrie und brüllte.«
    »Wer war der Junge?« fragte ich sie noch einmal.
    Sie wandte sich zu mir um und starrte mir in die Augen. Verriet mir das zweiundsechzig Jahre alte Geheimnis.
    »Grover Teale«, sagte sie. »Wurde groß und Bürgermeister der Stadt, genau wie sein alter Daddy. Meint, ihm gehöre die ganze Welt, aber er ist nur eine schreiende Göre, die meinen armen Blake aus keinem anderen Grund umgebracht hat als dem, daß er blind war und schwarz.«

KAPITEL 33

    Wir stiegen in der Zufahrtsstraße hinter dem Friseurladen in Charlies schwarzen Bentley. Keiner von uns sagte ein Wort. Ich ließ den Motor an. Bog aus der Zufahrt und fuhr nach Norden. Ließ die Scheinwerfer ausgeschaltet und beschleunigte nicht. Die große, dunkle Limousine bewegte sich durch die Nacht wie ein Tier, das sich aus seinem Unterschlupf stiehlt. Wie ein großes schwarzes U-Boot, das aus seiner Vertäuung gleitet und sich hinaus ins eisige Wasser wagt. Ich fuhr durch die Stadt und hielt kurz vor dem Polizeirevier. Es war grabesstill.
    »Ich hole mir eine Waffe«, sagte Finlay.
    Wir bahnten uns einen Weg durch die Trümmer des Eingangs. Hubbles eigener Bentley stand im dunklen Mannschaftsbüro. Aus den Vorderreifen war die Luft gewichen, so daß die Motorhaube in den Trümmern der Zellen vergraben war. Es stank nach Benzin. Der Tank mußte geplatzt sein. Der Deckel des Kofferraums stand offen, weil die Rückseite eingedrückt war. Hubble warf nicht mal einen Blick darauf.
    Finlay bahnte sich seinen Weg am Autowrack vorbei zum großen Büro. Verschwand darin. Ich wartete mit Hubble in dem Scherbenhaufen, der früher einmal der Eingang gewesen war. Finlay kam mit einem Stainless-Revolver und einem Streichholzheftchen aus dem dunklen Büro. Und mit einem Grinsen im

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