Jack Reacher 01: Größenwahn
ich ihn, ob er einen großen Mann mit kahlgeschorenem Kopf kennt. Ich frage ihn nach Pluribus. Tja, mein Gott! Es ist, als hätte ich ein Schüreisen in seinen Hintern geschoben. Er wird ganz starr. Wie unter Schock. Total starr. Will nicht antworten. Also sage ich ihm, daß wir wissen, daß der große Mann tot ist. Erschossen. Tja, das wirkt wie ein zweites Schüreisen in seinem Hintern. Er fällt fast vom Stuhl.«
»Weiter«, sagte ich. Noch fünfundzwanzig Minuten, bis der Bus fällig war.
»Er zittert nur so hemm«, erklärt Finlay. »Dann sage ich ihm, daß wir seine Telefonnummer in dem Schuh gefunden haben. Seine Telefonnummer auf einem Stück Papier, mit dem Wort ›Pluribus‹ darüber. Das ist noch ein Schüreisen in seinem Hintern.«
Er hielt wieder inne, klopfte seine Taschen ab, eine nach der anderen.
»Er wollte nichts sagen«, fuhr er fort. »Kein einziges Wort. Er war starr vor Schock. Ganz grau im Gesicht. Ich dachte, er hätte einen Herzanfall. Sein Mund öffnete und schloß sich wie bei einem Fisch. Aber er redete nicht. Also erzählte ich ihm, wir wüßten, daß die Leiche zusammengetreten worden sei. Ich fragte ihn, wer dabei war. Ich erzählte ihm, wir wüßten, daß die Leiche unter einer Pappabdeckung versteckt worden war. Er wollte kein einziges verdammtes Wort sagen. Er blickte immer nur um sich. Nach einer Weile merkte ich, daß er wie verrückt nachdachte. Versuchte sich zu entscheiden, was er mir sagen sollte. Doch er sagte einfach nichts und dachte wie wahnsinnig nach, etwa vierzig Minuten lang. Die Kassette lief die ganze Zeit. Nahm vierzig Minuten Schweigen auf.«
Finlay schwieg wieder. Dieses Mal um der Wirkung willen. Er sah mich an.
»Dann gestand er«, sagte er. »›Ich habe es getan‹, erklärte er. ›Ich habe ihn erschossen‹. Der Typ hat gestanden, hören Sie? Aufs Band.«
»Weiter«, sagte ich.
»Ich frage ihn: Wollen Sie einen Anwalt? Er sagt nein, wiederholt immer nur, er hätte den Mann ermordet. Also trage ich ihm seine Rechte vor, laut und deutlich, aufs Band. Dann kommt mir die Idee, daß er vielleicht verrückt ist oder so, Sie verstehen schon. Also frage ich ihn; Wen haben Sie umgebracht? Er sagt: Den großen Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf. Ich frage ihn: Wie? Er sagt: Mit einem Kopfschuß. Ich frage ihn: Wann? Er sagt: Letzte Nacht, gegen vierundzwanzig Uhr. Ich frage ihn: Wer hat den Körper durch die Gegend gekickt? Wer war der Mann? Was bedeutet Pluribus? Er antwortet nicht. Wird nur starr vor Angst. Weigert sich, noch ein verdammtes Wort zu sagen. Ich sage zu ihm: Ich bin nicht sicher, ob Sie überhaupt irgendwas getan haben. Er springt auf und packt mich. Er schreit: Ich gestehe, ich gestehe, ich habe ihn erschossen, ich habe ihn erschossen. Ich dränge ihn zurück. Er wird ruhig.«
Finlay lehnte sich zurück. Faltete die Hände hinter seinem Kopf. Starrte mich fragend an. Hubble als der Mörder? Ich glaubte nicht daran. Wegen seiner Aufregung. Typen, die jemanden mit einer alten Pistole erschießen, im Kampf oder im Affekt, mit einem ungezielten Schuß in die Brust, die sind nachher aufgeregt. Typen, die zwei Schüsse in einen Kopf jagen, mit einem Schalldämpfer, dann die Patronenhülsen aufsammeln, gehören zu einer ganz anderen Kategorie. Die sind nachher nicht aufgeregt. Sie verschwinden einfach und vergessen alles. Hubble war nicht der Mörder. Die Art, wie er vor der Empfangstheke herumgetänzelt war, sprach dagegen. Aber ich zuckte nur die Schultern und lächelte.
»Okay«, sagte ich. »Dann können Sie mich endlich rauslassen, oder?«
Finlay blickte mich an und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Ich glaube ihm nicht. Es waren drei Männer beteiligt. Davon haben Sie selbst mich überzeugt. Also, wer von den dreien soll Hubble sein? Ich glaube nicht, daß er der Irre ist. Dazu hat er nicht genug Kraft, denke ich. Ich glaube auch nicht, daß er der Handlanger war. Und er ist mit Sicherheit nicht der Mörder, mit Sicherheit nicht. Typen wie er treffen beim Pool-Billard noch nicht mal die Löcher.«
Ich nickte. Als wäre ich Finlays Partner. Brütete mit ihm über einem Problem.
»Ich muß ihn aber vorläufig in den Knast stecken«, sagte er. »Ich habe keine andere Wahl. Er hat gestanden, mit ein paar plausiblen Details. Aber sein Geständnis ist mit Sicherheit nicht stichhaltig.«
Ich nickte wieder. Spürte, daß das noch nicht alles war.
»Weiter«, sagte ich. Resigniert.
Finlay sah mich an. Ausdruckslos.
»Er war um
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