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Jack Reacher 01: Größenwahn

Jack Reacher 01: Größenwahn

Titel: Jack Reacher 01: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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würde. Also grinste ich die beiden an. Ich hoffte, sie würden sich langweilen und irgendwohin rennen, wie Kinder das normalerweise bei mir tun, aber sie grinsten nur zurück.
    »Das ist Ben«, sagte Charlie. »Und das ist Lucy.«
    Die Kinder sahen nett aus. Das Mädchen hatte noch den typischen Babyspeck, Feine, rotblonde Haare, zu Rattenschwänzen zusammengebunden. Der Junge war nicht viel größer als seine kleine Schwester. Er war schmächtig, hatte ein ernstes Gesicht und schien kein kleiner Rabauke wie manch anderer Junge zu sein. Es waren nette Kinder. Höflich und ruhig. Beide schüttelten mir die Hand und gingen dann zurück zu ihrer Mutter. Ich betrachtete die drei und konnte plötzlich die düstere Wolke über ihnen sehen. Wenn Hubble nicht aufpaßte, würde er schuld sein an ihrem Tod - wie an dem meines Bruders.
    »Möchten Sie auf einen Eistee hereinkommen?« fragte Charlie uns.
    Sie stand da mit schräggelegtem Kopf, als warte sie auf eine Antwort. Sie war vielleicht dreißig, im gleichen Alter wie Roscoe. Aber sie hatte die Aura einer reichen Frau. Vor hundertfünfzig Jahren wäre sie die Herrin über eine große Plantage gewesen.
    »Okay«, sagte ich. »Danke.«
    Die Kinder rannten davon, um irgendwo zu spielen, und Charlie führte uns durch die Eingangstür. Ich wollte nicht wirklich Eistee trinken, sondern dableiben, falls Hubble zurückkam. Ich wollte ihn für fünf Minuten allein sprechen. Ich wollte ihm ein paar ziemlich dringende Fragen stellen, bevor Finlay ihm einen Vortrag über seine Rechte halten konnte.
    Es war ein fabelhaftes Haus. Wunderschön eingerichtet. Hell und frisch. Kühles Weiß und sonniges Gelb. Blumen. Charlie führte uns durch den Wintergarten, den wir von außen gesehen hatten. Er sah aus, als stamme er direkt aus einem Architekturmagazin. Roscoe ging mit ihr, um ihr beim Tee zu helfen. Ließ mich allein in dem Raum zurück. Ich fühlte mich unbehaglich. Ich war nicht an Häuser gewöhnt. Ich war sechsunddreißig Jahre alt und hatte noch nie in einem Haus gewohnt. Viele Quartiere beim Militär und ein schrecklich kahler Schlafsaal mit Blick auf den Hudson, als ich in West Point gewesen war. Dort hatte ich gewohnt. Ich setzte mich wie ein häßlicher Außerirdischer auf ein geblümtes Kissen auf einem Rattansofa und wartete. Unbehaglich, benommen, in diesem toten Bereich zwischen Aktion und Reaktion.
    Die zwei Frauen kamen mit dem Tee zurück. Charlie trug ein Silbertablett. Sie war eine schöne Frau, aber nichts gegen Roscoe. Roscoe hatte einen derart zündenden Funken in ihren Augen, daß Charlie neben ihr wie unsichtbar wirkte.
    Dann geschah etwas. Roscoe setzte sich neben mich auf das Rattansofa. Als sie sich hinsetzte, drückte sie mein Bein zur Seite. Es war eine beiläufige Geste, aber sie war sehr vertraut und intim. Ein betäubtes Nervenende lebte plötzlich auf und signalisierte mir lautstark: Sie mag dich auch, sie mag dich auch. Es war die Art, wie sie mein Bein berührte.
    Ich ging die vergangenen Tage noch einmal durch und betrachtete die Dinge in diesem neuen Licht. Ihre Art, wie sie die Fingerabdrücke und Fotos gemacht hatte. Wie sie mir den Kaffee gebracht hatte. Ihr Lächeln und Zwinkern. Ihr Lachen. Daß sie Freitag nacht und Samstag gearbeitet hatte, um mich aus Warburton rauszuholen. Daß sie den ganzen Weg gefahren war, um mich abzuholen. Daß sie meine Hand hielt, nachdem ich den zertrümmerten Körper meines Bruders gesehen hatte. Daß sie mich hierhergefahren hatte. Sie mochte mich auch.
    Auf einmal war ich froh, daß ich aus diesem verdammten Bus gesprungen war. Froh, daß ich diese verrückte Entscheidung in letzter Minute getroffen hatte. Plötzlich entspannte ich mich. Fühlte mich besser. Die leise Stimme in meinem Kopf beruhigte sich. Im Augenblick gab es für mich nichts zu tun. Ich würde mit Hubble sprechen, wenn ich ihn sah. Bis dahin würde ich mit einer gutaussehenden, dunkelhaarigen, freundlichen Frau in einem weichen Baumwollhemd auf einem Sofa sitzen. Der Ärger würde früh genug beginnen. Das tut er immer.
    Charlie Hubble setzte sich uns gegenüber und begann, Eistee einzuschenken. Der Geruch nach Zitrone und Gewürzen wehte zu mir herüber. Sie bemerkte meinen Blick und lächelte dasselbe angespannte Lächeln wie schon kurz zuvor.
    »Normalerweise würde ich Sie jetzt fragen, ob Sie Ihren Besuch in Margrave genießen«, sagte sie und blickte angespannt lächelnd zu mir herüber.
    Mir fiel keine Antwort darauf ein. Ich zuckte nur

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