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Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht

Titel: Jack Reacher 03: Sein wahres Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Dieses Foto bewahrte sie seit fünfzehn Jahren in einem Buch auf. Hatte es sich unzählige Male angesehen, hatte jahrelang das Gefühl genossen, ihn umarmt, sich vor der Kamera an ihn gedrängt zu haben. Sie wusste immer noch, wie er sich angefühlt hatte. Erinnerte sich an seinen Geruch, an seinen muskulösen Körper.
    Diese Empfindungen waren nie ganz verblasst. Dabei hatte sie es sich gewünscht und gehofft, sie würde eines Tages erkennen, dass dies nur eine Teenagerschwärmerei gewesen war. Aber das war es nicht. Das erkannte sie daran, wie ihre Gefühle die Zeit überdauert hatten. Er war verschwunden, sie war erwachsen geworden und hatte sich weiterentwickelt, aber die Empfindungen hatten nie aufgehört, waren aber im Lauf der Zeit zu einer Realität geworden, die parallel zu ihrem Alltagsleben existierte. Immer gegenwärtig, immer stark, aber nicht mehr so sehr in ihr gewöhnliches Leben hineinwirkend. Ein vergangener Traum, der nichts mit der gegenwärtigen Realität zu tun hatte.
    Gestern hätte der schlimmste Tag ihres Lebens sein müssen. Sie hatte ihren Vater begraben. Sie war von Männern mit Schusswaffen überfallen worden. Sie hätte vor Trauer und Schock wie gelähmt sein müssen. Gestern war der schönste Tag ihres Lebens gewesen. Reacher war wie eine Vision auf der Treppe hinter der Garage erschienen, angestrahlt von der Mittagssonne. Jodie hatte das Herz bis zum Hals geschlagen, und die alten Gefühle waren schlagartig zurückgekehrt, heftiger und stärker als je zuvor.
    Aber das war alles nur Zeitverschwendung. Damit musste sie sich abfinden. In seinen Augen war sie so etwas wie eine Nichte oder eine jüngere Schwester. Als zählten die neun Jahre Altersunterschied noch immer. Was nicht mehr der Fall war. Es gab unzählige Paare, bei denen der Altersunterschied größer war. Aber für Reacher spielte das anscheinend noch immer eine Rolle. Oder vielleicht hatte er sich einfach daran gewöhnt, sie immer nur als Leons Tochter, die Tochter seines Kommandeurs zu betrachten. Anstandsregeln und militärischer Komment hatten ihn davon abgehalten, sie auch anders zu sehen. Das hatte sie damals wie heute erbittert. Leons Zuneigung zu ihm und seine Art, ihn für sich in Beschlag zu nehmen, hatten ihn Jodie weggenommen.
    Sie hatten gestern Nachmittag wie Bruder und Schwester oder wie Onkel und Nichte verbracht. Dann war er ganz ernst geworden, als sei er ihr Leibwächter und für sie verantwortlich. Das war’s dann. Mehr würde daraus nicht werden. Und sie konnte nichts dagegen tun. Nichts. Sie hatte schon Männer angesprochen, die ihr gefielen. Alle Frauen in ihrem Alter taten das. Das war zulässig, es wurde akzeptiert, galt sogar als normal. Aber was hätte sie zu ihm sagen sollen? Was konnte eine Schwester zu ihrem Bruder oder eine Nichte zu ihrem Onkel sagen, ohne Empörung und Abscheu zu wecken? Also würde nichts daraus werden.
    Sie streckte ihre Hände über den Kopf, legte die Handflächen leicht an die Trennwand und ließ sie dort ruhen. Wenigstens schlief er unter ihrem Dach, und wenigstens konnte sie träumen.

    Der Kerl bekam weniger als drei Stunden Schlaf, nachdem er das Motorboot an seinen Liegeplatz zurückgebracht, die Persenning darüber gezogen hatte und quer durch die Stadt in seine Wohnung zurückgefahren war. Er stand um sechs Uhr auf und war um zwanzig nach sechs wieder auf der Straße - ungeduscht und ohne Frühstück. Die Hand steckte in der Plastiktüte, war in die Post vom Vortag eingewickelt und lag in einer Tragetasche von Zabar’s, in der er neulich sein Abendessen heimgetragen hatte.
    Er schlängelte sich mit dem schwarzen Tahoe durch den morgendlichen Lieferverkehr und kam rasch voran. Dann parkte er in der Tiefgarage und fuhr in den siebenundachtzigsten Stock hinauf. Tony saß schon hinter der Empfangstheke aus Eiche und Messing, Aber die Stille zeigte dem Kerl, dass sonst noch niemand da war. Er hielt die Tragetasche von Zabar’s wie eine Trophäe hoch.
    »Das hier ist für den Hook«, sagte er.
    »Der Hook ist heute nicht hier«, erwiderte Tony
    »Großartig«, sagte der Kerl mürrisch.
    »Steck’s in den Kühlschrank«, meinte Tony
    Aus dem Empfangsbereich gelangte man in eine kleine Teeküche. Sie war so eng und unordentlich, wie es Büroküchen häufig sind. Kaffeeringe auf der Arbeitsplatte, schmutzige Kaffeebecher, Der Kühlschrank war nur eine kleine Box unter der Arbeitsfläche. Der Kerl schob Milch und einen Sechserpack beiseite und stopfte die Tragetasche in

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