Jack Reacher 09: Sniper
Fahrplan, um seine Route zu planen. Dies würde kein einfacher Trip werden. Die erste Etappe würde Miami-Jacksonville sein. Dann Jacksonville-New Orleans. Dann New Orleans-St. Louis. Dann St. Louis-Indianapolis. Danach vermutlich ein lokaler Bus, der nach Süden ins Kernland Amerikas fuhr. Fünf verschiedene Zielorte. Die Ankunfts- und Abfahrtszeiten waren nicht besonders gut aufeinander abgestimmt. So würde die Reise insgesamt über achtundvierzig Stunden dauern. Reacher war versucht, zu fliegen oder sich ein Auto zu mieten, aber er war gerade ziemlich abgebrannt, fuhr ohnehin lieber mit dem Bus und rechnete sich aus, dass übers Wochenende nichts Wesentliches passieren würde.
Was am Wochenende passierte, war jedoch, dass Rosemary Barr nochmals den für ihre Firma tätigen Ermittler anrief. Sie rechnete sich aus, dass Franklin einen halbwegs unabhängigen Standpunkt vertreten würde. Sie erreichte ihn am Sonntagmorgen um zehn Uhr zu Hause.
»Ich denke, ich sollte mir einen anderen Anwalt suchen«, sagte sie.
Franklin schwieg.
»David Chapman hält ihn für schuldig«, erklärte Rosemary. »Das stimmt doch? Also hat er ihn bereits aufgegeben.«
»Dazu kann ich mich nicht äußern«, erwiderte Franklin. »Er ist einer meiner Auftraggeber.«
Diesmal sagte Rosemary Barr nichts.
»Wie war’s im Krankenhaus?«, fragte Franklin.
»Schrecklich. Er liegt auf der Intensivstation und wird von ein paar Fettsäcken aus dem Gefängnis bewacht. Sie haben ihn mit Handschellen ans Bett gefesselt. Er liegt im Koma, verdammt noch mal! Wie soll er da flüchten können?«
»Wie sieht seine Position juristisch aus?«
»Er ist verhaftet, aber noch nicht zum Schuldvorwurf gehört worden. Daher befindet er sich in einem Schwebezustand. Sie gehen davon aus, dass er nicht gegen Kaution freigekommen wäre.«
»Das dürfte stimmen.«
»Also behaupten sie, unter diesen Umständen sei er als jemand zu betrachten, der nicht gegen Kaution freigekommen ist. Er gehört ihnen . Das System hat ihn vereinnahmt. Er befindet sich in einer Art Twilight Zone.«
»Was möchten Sie erreichen?«
»Er sollte nicht mit Handschellen gefesselt sein. Und er gehört wenigstens in ein Krankenhaus für ehemalige Kriegsteilnehmer. Aber dorthin kommt er nur, wenn ich einen Anwalt finde, der bereit ist, ihm zu helfen.«
Franklin machte eine Pause. »Wie erklären Sie sich all die Beweise?«
»Ich kenne meinen Bruder.«
»Sie sind ausgezogen, stimmt’s?«
»Aus anderen Gründen. Aber nicht, weil er ein verrückter Massenmörder ist.«
»Er hat einen Stellplatz blockiert«, sagte Franklin. »Er hat alles genau geplant.«
»Sie halten ihn auch für schuldig.«
»Ich muss mit dem arbeiten, was ich habe. Und was ich habe, sieht nicht gut aus.«
Rosemary Barr schwieg.
»Sorry«, sagte Franklin.
»Können Sie mir einen anderen Anwalt empfehlen?«
»Dürfen Sie das überhaupt entscheiden? Haben Sie eine Vollmacht?«
»Ich denke, ich habe sie implizit. Er liegt im Koma. Ich bin seine nächste Angehörige.«
»Wie viel Geld haben Sie?«
»Nicht viel.«
»Wie viel hat er ?«
»Sein Haus hat einen gewissen Wert.«
»Das wird nicht gut aussehen. Dieser Wechsel ist für die Firma, bei der Sie arbeiten, sehr kränkend.«
»Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen.«
»Dabei könnten Sie alles verlieren – auch Ihren Job.«
»Den verliere ich ohnehin, wenn’s mir nicht gelingt, James zu helfen. Wird er verurteilt, kündigen sie mir. Dann bin ich berüchtigt. Weil mein Bruder ein verurteilter Mörder ist. Peinlich für die Firma.«
»Er hatte Ihre Schlaftabletten«, sagte Franklin.
»Die habe ich ihm gegeben. Er hat keine Krankenversicherung.«
»Wieso hat er sie gebraucht?«
»Er schläft in letzter Zeit schlecht.«
Franklin schwieg.
»Sie halten ihn für schuldig«, sagte Rosemary.
»Die Beweise sind überwältigend«, sagte Franklin.
»David Chapman gibt sich nicht wirklich Mühe, finden Sie nicht auch?«
»Sie müssen bedenken, dass Chapman damit möglicherweise recht hat.«
»Wen sollte ich anrufen?«
Franklin überlegte.
»Versuchen Sie’s mit Helen Rodin«, sagte er.
»Rodin?«
»Sie ist die Tochter des Staatsanwalts.«
»Ich kenne sie nicht.«
»Sie hat ihr Büro gerade erst aufgemacht. Es liegt mitten in der Stadt. Sie ist jung und brennt darauf, sich zu bewähren.«
»Ist das ethisch vertretbar?«
»Verboten ist’s jedenfalls nicht.«
»Dann würden Vater und Tochter einander befehden.«
»Ihr Bruder sollte von
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