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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Mitte bis Ende dreißig, trug Bürokleidung und wirkte gestresst und müde. Aber trotz aller Nervosität war sie nicht unattraktiv. Sie schien eine freundliche, anständige Person zu sein. War sogar ganz hübsch, aber auch eindeutig James Barrs Schwester. Das wusste Reacher bereits, bevor er ihr die Hand gab. Sie hatte den gleichen Teint und eine sanftere, weiblichere, viel jüngere Version des Gesichts, das er vor über vierzehn Jahren gekannt hatte.
    »Ich bin Rosemary Barr«, sagte sie. »Ich bin sehr froh, dass Sie uns gefunden haben. Das scheint mir ein gutes Omen zu sein. Jetzt habe ich wirklich das Gefühl, dass wir mit unserer Sache vorankommen.«
    Reacher sagte überhaupt nichts.
    Zu Helen Rodins Kanzlei gehörte noch kein Besprechungsraum. Reacher nahm an, dass sie es später zu einem bringen würde. Vielleicht. Wenn ihr Laden lief. Also drängten sie sich zu viert in ihrem Büro. Helen saß an ihrem Schreibtisch, Franklin hockte auf einer Ecke, Reacher lehnte an der Fensterbank und Rosemary Barr tigerte nervös auf und ab.
    »Okay«, begann Helen. »Verteidigungsstrategie. Zumindest wollen wir auf Unzurechnungsfähigkeit aus medizinischen Gründen hinaus. Aber wir zielen natürlich noch höher. Was wir letztlich erreichen werden, hängt von allen möglichen Faktoren ab. Und in diesem Zusammenhang möchten bestimmt alle als Erstes hören, was Mr. Reacher zu sagen hat.«
    »Das glaube ich nicht«, bemerkte Reacher.
    »Was glauben Sie nicht?«
    »Dass Sie hören wollen, was ich zu sagen habe.«
    »Wieso würden wir’s nicht wollen?«
    »Weil Sie voreilig die falschen Schlüsse gezogen haben.«
    »Nämlich?«
    »Weshalb bin ich Ihrer Meinung nach als Erstes bei Ihrem Vater gewesen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Weil ich nicht hergekommen bin, um James Barr zu helfen.«
    Keiner sprach.
    »Ich bin hier, um dafür zu sorgen, dass er die Höchststrafe bekommt.«
    Alle starrten ihn an.
    »Aber weshalb?«, fragte Rosemary Barr.
    »Weil er so was schon mal gemacht hat. Und einmal reicht, finde ich.«

3
     
    Reacher veränderte seine Haltung leicht, sodass er mit dem Rücken an der Fensterlaibung lehnte, und drehte sich etwas zur Seite, um auf die Plaza hinabblicken zu können und seine Zuhörer nicht ansehen zu müssen.
    »Bleibt dieses Gespräch vertraulich?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete Helen Rodin. »Unbedingt. Dies ist eine Mandantenbesprechung. Die ist ganz automatisch vertraulich. Was hier gesagt wird, darf nirgends wiederholt werden.«
    »Ist es ethisch und legal für Sie, in Bezug auf Ihren Mandanten schlechte Nachrichten zu hören?«
    Daraufhin trat langes Schweigen ein.
    »Werden Sie als Zeuge der Anklage auftreten?«, fragte Helen Rodin.
    »Ich glaube nicht, dass ich das unter den Umständen muss. Aber ich bin notfalls dazu bereit.«
    »Dann würden wir die Hiobsbotschaft sowieso hören. Wir würden Ihre Aussage vor der Verhandlung zu Protokoll nehmen, damit es garantiert keine weiteren Überraschungen gibt.«
    Wieder Schweigen.
    »James Barr war Scharfschütze«, sagte Reacher. »Nicht der beste, den die Army je hatte, auch nicht der schlechteste. Nur ein guter, kompetenter Schütze. In fast jeder Beziehung absolut durchschnittlich.«
    Dann machte er eine Pause und drehte den Kopf etwas zur Seite. Sah nach halblinks zu dem billigen Gebäude mit dem Anwerbebüro der Streitkräfte. Heer, Marine, Luftwaffe und Marinekorps.
    »Zum Militär gehen vier Arten von Menschen«, fuhr er fort. »Für Leute wie mich ist’s das Handwerk ihrer Familie. Zweitens gibt’s eifrige Patrioten, die ihrem Land dienen wollen, drittens Leute, die einfach einen Job brauchen. Und dazu kommen viertens Leute, die andere Leute umbringen wollen. Das Militär ist die einzige Organisation, die einem das legal ermöglicht. Zu diesem vierten Typ hat James Barr gehört: Er hat im tiefsten Inneren vermutet, es könnte Spaß machen, Menschen umzubringen.«
    Rosemary Barr sah weg. Niemand sprach.
    »Aber er hat nie Gelegenheit dazu bekommen«, sagte Reacher. »Als Militärpolizist war ich ein sehr gründlicher Ermittler und habe alles über ihn in Erfahrung gebracht. Ich habe ihn studiert. Er ist fünf Jahre lang ausgebildet worden. Ich habe mir seine Schießbücher angesehen. In manchen Wochen hat er zweitausend Schuss abgegeben. Alle auf Ring- oder Mannscheiben. Zusammengerechnet waren das fast eine Viertelmillion Schuss – und keiner davon auf den Feind. Er durfte 1989 nicht mit nach Panama. Wir hatten damals eine sehr große Army, von

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